Herr Keune, was waren für Sie die prägendsten Ereignisse der vergangenen Monate, beruflich wie persönlich?
Wenn es beruflich gut läuft, geht es mir auch persönlich gut. Es gilt darauf achtzugeben, sich von der trüben Grosswetterlage nicht zu sehr anstecken zu lassen. Der Tagesbetrieb am KSGR läuft ausgesprochen gut. Die Mitarbeitenden setzen sich jeden Tag mit grosser Motivation für das Wohl unserer Patienten ein. Entsprechend sind die vielen dankbaren Rückmeldungen von Patienten und Mitarbeitenden mein persönliches Highlight.
Besonders grosse Freude haben mir zudem die positiven Zuteilungsentscheide des HSM-Beschlussorgans in den Bereichen «Schweres Trauma und Polytrauma, inklusive Schädelhirntrauma bei Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahre» sowie «Früh- und Termingeborenenintensivpflege» bereitet. Diese Entscheidungen sind für die Versorgung in der Südostschweiz von grösster Bedeutung.
Sie haben die trübe Grosswetterlage im Spitalwesen angesprochen. Was braucht es Ihrer Meinung nach für eine Entspannung der Situation?
Vorweg: Wir haben keine Spitalkrise, wie vielfach behauptet! Es ist eine Krise, welche von den Krankenkassen durch zu tiefe Tarife verursacht wird. Wir haben eine Tarifkrise. 80 Prozent der Spitäler haben eine zu tiefe Marge, um wirtschaftlich überleben zu können. Bei den restlichen 20 Prozent handelt es sich vornehmlich um Privatspitäler mit hohem VVG-Anteil. Was braucht es noch für Beweise dafür, dass wir ein systematisches Problem bei den Tarifen – ambulant und stationär – haben? Daran ändert übrigens auch der Tardoc nichts, im Gegenteil.
«Die Krankenversicherer zerstören eine ganze Branche, auf die wir eigentlich stolz sein können.»
Die Teuerung der letzten Jahre wird nicht an die Spitäler weitergegeben. Die Ebitda-Margen sinken kontinuierlich. Die Krankenversicherer zerstören eine ganze Branche, auf die wir eigentlich stolz sein können.
Ist es nicht etwas zu einfach, die Schuld nur den Versichereren zuzuschieben?
Gemessen am BIP ist unser Gesundheitswesen nicht wesentlich teurer als in Deutschland, Frankreich, Österreich, Grossbritannien oder Kanada. Aber es gehört zu den besten der Welt. Darauf sollten wir stolz sein. Nur ist bei uns die Finanzierung über die Krankenkassen-Kopfprämien anders geregelt. Es ist für mich unglaublich, wie man eine so tolle Branche dermassen schlechtreden kann. Man bekommt den Eindruck, die Krankenversicherer haben überhaupt kein Interesse an einem funktionierenden Gesundheitssystem.
Natürlich können wir uns verbessern. Muss man dazu aber wirklich ein gut funktionierendes System an die Wand fahren? Ich erkenne bei den Krankenversicherern keine Vision oder Strategie. Blinde Sparwut würgt zurzeit jeden konstruktiven Dialog ab.
Die Lösung scheint einfach: die Tarife müssen rauf.
So ist es! Die Teuerung der letzten Jahre muss voll ausgeglichen werden. Und klar können wir auch von anderen Ländern viel lernen. Aber man darf nicht vergessen: Das KVG wurde erst vor gut zehn Jahren revidiert. Ob die Zeit für eine grundlegende Reform schon gekommen ist?
Sollten wir uns mehr an Modellen aus anderen Ländern orientieren, etwa an Dänemark?
Es wird viel auf das dänische Gesundheitswesen referenziert. Aber dort sind andere Voraussetzungen: alles über Steuern finanziert, landesweite staatliche Planung, kaum Privatspitäler, öffentliche Mittel für Investitionen, keine Krankenversicherer, relativ lange Wartefristen. Das ist ein gutes, aber eben auch total anderes System. Das kann man machen. Eigentlich hätte ich mittlerweile sogar Freude daran, diesen Weg einzuschlagen. Ob die Krankenversicherer ebenso motiviert sind dafür? Wenn sie es ernst meinen, müssten sie das eigentlich unterstützen.
«Es ist für mich unglaublich, wie man eine so tolle Branche dermassen schlechtreden kann.»
Wie gestaltet sich der Spitalbetrieb während der Sommermonate?
Der Spitalbetrieb läuft in Chur gerade auch während der Sommermonate uneingeschränkt weiter. Das KSGR bildet zusammen mit den Rettungsdiensten und den Regionalspitälern in Graubünden eine Art Rückversicherung für den Tourismus. Ob Feriendialyse, kardiologische Probleme spätabends an der Hotelbar oder Unfälle im Hochgebirge – die vielen Gäste im Kanton Graubünden werden im Bedarfsfall von uns medizinisch versorgt.
Auf Sparflamme jedoch sind im Sommer die internen Projekte. Irgendwann müssen sich die Mitarbeitenden ja auch erholen können. Es gibt dann weniger Meetings, weniger E-Mails und weniger Videokonferenzen. Dafür bleibt für diejenigen, die am Arbeiten sind, Zeit für ein Glacé am Mittag oder ein gemeinsames Bier nach Feierabend.