Die Hausärzte in Deutschland befürchten, dass ihnen das Verschreiben von Cannabis bald verboten werden könnte. Seit fünf Jahren dürfen sie ihren Patienten Cannabis verordnen. Doch nun wollen die Krankenversicherer erreichen, dass nur noch Hausärzte mit Spezialisierung auf Schmerztherapie oder Palliativmedizin den Stoff verordnen dürfen.
Anästhesisten und Onkologen dürfen weiterhin
Erlaubt wäre die Verschreibung dann hauptsächlich noch Fachärzten mit speziellen Qualifikationen: Zum Beispiel dürften Anästhesiologen oder Neurologen Cannabis ihren Schmerzpatienten oder Internisten, Hämatologen und Onkologen ihren Krebspatienten weiterhin Cannabis-Rezepte ausstellen. Die geplanten Einschränkungen würden darauf hinauslaufen, die Hausärzte aus der Verordnung der Droge hinauszudrängen, schreibt das deutsche Gesundheitsportal «Medscape».
Die Hausärzte sind aufgebracht und bezeichnen das Vorhaben als «völligen Quatsch». Warum dürften Hausärztinnen und Hausärzte zwar Morphium verschreiben, das ein wesentlich stärker wirkendes Medikament gegen Schmerzen sei, während die Verordnung von Cannabis den Hausärzten entzogen werden solle, fragt sich Hans Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Bremen.
Hausärzte verschrieben zu freigiebig
Barbara Römer, die Vorsitzende des Hausärzteverbandes Rheinland-Pfalz, kritisiert laut «Medscape», dass sie künftig ihren Tumorpatienten nicht mehr alle Schmerzmittel verschreiben dürfe. Zudem gebe es gar nicht genug Neurologen oder Schmerzmediziner, zu denen die Patienten für ihre Cannabis-Verordnungen gehen könnten.
Doch warum gibt es überhaupt Pläne, den Hausärzten die Cannabis-Rezepte zu entziehen? Weil sie offenbar zu freigiebig verschrieben haben. Seit 2017 darf Cannabis in Deutschland als Medikament verschrieben werden, und seither taten dies Ärzte mehr als 90’000 Mal. Das kommt die Krankenkassen teuer zu stehen. Die Kosten einer Therapie mit Cannabisblüten oder cannabishaltigen Fertigarzneimitteln betragen monatlich zwischen 300 und 2’200 Franken. Eine Therapie mit herkömmlichen Opiaten wäre deutlich günstiger.
Rezepte nicht gemeldet
Dazu kommt, dass sich die Hausärzte offenbar nicht an ihre Pflichten gehalten haben. Alle Ärztinnen und Ärzte, die Cannabis verordnen, hätten ihre Rezeptdaten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – es entspricht Swissmedic in der Schweiz – für eine Begleiterhebung übermitteln sollen. Dem Bundesinstitut fiel allerdings auf, dass es nach fünf Jahren nur rund 16’800 Meldungen erhalten hatte – was einem Bruchteil der 90'000 tatsächlichen Verschreibungen entspricht.
Jene Daten, die dem Bundesinstitut gemeldet worden sind, zeigen, dass vermutlich wirklich die Hausärzte ihre Verschreibungen nicht dokumentiert haben. Am häufigsten meldeten nämlich Anästhesiologen ihre Rezepte, erst danach folgen die Hausärzten und den Neurologen. Die Hausärzte begründen dies damit, dass ihnen die Zeit für die Meldung der Cannabis-Verordnungen gefehlt habe.
Gute Wirkung
Die Wirkung der Cannabis-Präparate ist - zumindest bei den wenigen gemeldeten Fällen - offenbar gut: In fast 75 Prozent der Fälle gingen die Symptome zurück. Die Lebensqualität besserte sich in 70 Prozent der Fälle. In 38,5 Prozent der Fälle dagegen trat keine Besserung ein. In 26 Prozent der Fälle wurde die Therapie wegen Nebenwirkungen abgebrochen. In gut 20 Prozent der Fälle war der Tod der Patienten der Grund für den Abbruch.
Am häufigsten (76,4 Prozent) wurde Cannabis gegen Schmerzen verordnet, gegen Spastiken in 9,6 Prozent oder gegen Anorexie in 5,1 Prozent der Fälle. Dabei war Cannabis für viele Ärzte und Patienten das letzte Mittel.