Bei der Multiplen Sklerose greift das eigene Immunsystem die Schutzhüllen im Zentralnervensystem an und zerstört sie. Diese so genannten Myelinscheiden haben den Zweck, die Nervenfasern zu isolieren und dafür zu sorgen, dass elektrische Impulse von Nervenzelle zu Nervenzelle gelangen. Sind sie beschädigt oder ausgedünnt, kann dies zu schweren Seh- , Sprech- und Koordinationsstörungen führen.
Bislang ist es jedoch nicht gelungen, die Myelinscheiden gut genug sichtbar zu machen, um MS zuverlässig zu diagnostizieren und zu behandeln. ETH-Forscher vom Institut für Biomedizinische Technik haben dies nun geschafft.
Ein Team um Markus Weiger und Emily Baadsvik entwickelte ein neues Verfahren der Magnetresonanztomographie, das den Zustand der Myelinscheiden genauer abbildert als bisher möglich. Die Forscher testeten das Verfahren erstmals erfolgreich an gesunden Menschen.
Die Hoffnung ist, dass ein MRT-System mit speziellem Kopfscanner den Ärzten dereinst hilft, MS frühzeitig zu erkennen und den Verlauf der Krankheit besser zu überwachen. Zudem könnte die Technologie die Entwicklung neuer Medikamente gegen MS erleichtern.
Das MRT-Verfahren der ETH schafft es, den Myelingehalt direkt zu messen – statt wie bislang indirekt über die Signale der Wasserstoffatome im Myelinwasser. Beim Konzept von Weiger, Baadsvik et al. werden MRT- Aufnahmen des Gehirns mit Zahlenwerten versehen, die zeigen, wie viel Myelin an einer bestimmten Stelle im Vergleich zu anderen Bereichen des Bildes vorhanden ist. Je dunkler der Bereich und je kleiner die Zahl im Bild, desto schwächer sind die Myelinscheiden.
Die MRT-Scans zeigen numerisch, wie viel Myelin an einer bestimmten Stelle im Vergleich zu anderen Bereichen des Bildes vorhanden ist. | Bild: ETH Zürich.
Die Myelinscheiden direkt abzubilden, ist schwierig, weil die Signale, die das MRT im Gewebe auslöst, viel kurzlebiger sind als die Signale, die vom Myelinwasser ausgehen. Ein herkömmlicher Kernspintomograph kann diese flüchtigen Signale der Wasserstoffatome im Myelingewebe gar nicht erfassen, da er nicht schnell genug misst.
Nun entwickelte das ETH-Team mit den Firmen Philips und Futura einen speziell angepassten MRT-Kopfscanner, der sich durch besonders starkes Gefälle im Magnetfeld auszeichnet, im Fachjargon Gradient genannt. «Je grösser die Veränderung der Magnetfeldstärke ist, welche die drei Spulen im Scanner erzeugen, desto schneller können Informationen über die Position von Wasserstoffatomen aufgezeichnet werden», sagt Baadsvik.
Jetzt liegt der Ball bei der Industrie
Die Forscher haben ihr MRT-Verfahren inzwischen an Gewebeproben von MS-Patienten und an zwei gesunden Personen getestet. Als nächstes wollen sie es an MS-Patienten selbst testen. Ob der neue MRT-Kopfscanner künftig in Kliniken zu finden sein wird, hängt stark von der Industrie ab. «Wir haben gezeigt, dass unser Verfahren funktioniert», sagt Weiger. «Jetzt liegt es an Industriepartnern, es zu implementieren und auf den Markt zu bringen.»
Eine Hoffnung ist dabei auch, dass das neue MRT-Verfahren womöglich auch helfen kann, weitere feste Gewebetypen besser sichtbar zu machen – etwa Bindegewebe, Sehnen und Bänder.