Ich sehe das nicht als Widerspruch oder Seitenwechsel, im Gegenteil. Schon als ich noch praktizierte, standen bei mir Patientenanliegen im Vordergrund. Patienten sind schliesslich unsere Auftraggeber.
Tatsächlich wird die SPO eher als ärztefeindliche Organisation wahrgenommen. Hoffentlich kann ich meinen Teil dazu beitragen, das Verhältnis zu entspannen. Es ist für alle am besten, wenn es Ärzten und Patienten gut geht.
Brida von Castelberg
Brida von Castelberg ist Spezialärztin FMH für Chirurgie sowie für Gynäkologie und Geburtshilfe und stand als Chefärztin fast 20 Jahre lang der Frauenklinik am Zürcher Triemli Spital vor. 2012 trat sie vorzeitig in den Ruhestand. Dieser Tage wurde sie zur Vizepräsidentin der Schweizerischen Stiftung Patientenschutz (SPO) gewählt.
Ist das Amt die Vorstufe zur Übernahme des SPO-Präsidiums?
Nein, sicher nicht. Es ist zwingend, dass eine Person das Präsidium innehat, die politisch tätig ist und sich im Berner Politbetrieb auskennt. Die Idee ist, dass erneut ein Politiker oder eine Politikerin übernimmt, wenn die langjährige Präsidentin Margrit Kessler das Amt abgibt.
Sie könnten doch in die Politik einsteigen.
Diese Karriere will ich mir ersparen. Ich mag gerade Wege. Umwege zu nehmen, um zum Ziel zu gelangen, liegt mir nicht. Und dies ist in der Politik leider nötig.
Welches sind Ihre wichtigsten Aufgaben bei der SPO?
Das werde ich im neuen Jahr zusammen mit Margrit Kessler und der neuen Geschäftsführerin Barbara Züst besprechen. Grundsätzlich kann man so ein Vizepräsidium entweder in vier Sitzungen pro Jahr abhaken oder sich aktiv einbringen.
Wobei Sie natürlich die zweite Variante wählen.
Ich mag auf jeden Fall Sitzungen gar nicht. Dies war mit ein Grund, warum ich im Spital aufgehört habe.
«Ärzte müssen stärker in Kommunikation geschult werden.»
Wo hapert es am meisten im Patientenschutz?
Da verweise ich gerne auf mein
Büchlein «Diagnose einer Beziehung», welches vom oft schwierigen Verhältnis zwischen Arzt und Patient handelt. Die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten hat sich zwar im Lauf der Zeit verbessert, aber es liegt immer noch viel im Argen. Das, was gesagt wird, und das, was ankommt, sind häufig zwei verschiedene Dinge.
Was schlagen Sie vor?
Ärzte müssen stärker in Kommunikation geschult werden. Das beginnt schon an der Uni und geht in den Spitälern weiter. Dort gibt es bereits Kommunikationskurse mit Schauspielern, das bringt schon einiges. Nur schon sich bewusst zu werden, dass sie von Patienten nicht verstanden werden könnten, ist für Ärzte ein grosser Schritt. Die Bedürfnisse des Patienten klären, verständlich und einfach sprechen, das Gesagte zusammenfassen und den Patienten fragen, ob er alles verstanden hat: solch elementare Regeln müssen viele noch lernen.
Gerade bei harten Diagnosen wie Krebs braucht das viel Zeit, welche die Ärzte schlicht nicht haben.
Die Ärzte könnten sich aber entlasten. Etwa indem sie Pflegende wie Breast Counsel Nurses oder Psychologen einbeziehen, die es in den Spitälern gibt und in Kommunikation geschult sind. Ärzte sollten mehr delegieren.
Warum tun sie das nicht?
Ich kann es auch nicht erklären. Alle klagen über Zeitdruck und geben trotzdem nichts ab. Sicher hat es auch damit zu tun, dass Pflegeberufe immer noch als Hilfsberufe angeschaut werden.
«Das Schweizer Gesundheitssystem ist ein Selbstbedienungsladen.»
Ärzte wehren sich auch gegen das Vorhaben des Bundes, die Rolle der Apotheker in der Behandlung von leichteren Fällen zu stärken. Wo stehen Sie?
Apotheker standen bei den Ärzten lange Zeit im Ruf, Geschäftemacher zu sein. Da muss ein Umdenken stattfinden. Ich bin dafür, dass Apotheken vermehrt Beratungen übernehmen. Allerdings muss die Beratung dann auch wirklich vom Apotheker selbst geleistet werden.
Was ärgert Sie am meisten am Schweizer Gesundheitswesen?
Das ist schwierig zu sagen, eigentlich ärgert mich das ganze System. Das Schweizer Gesundheitswesen ist ein Selbstbedienungsladen. Wo sonst ist es möglich, dass unkontrolliert Rechnungen gestellt werden können? Das Vergütungssystem setzt falsche Anreize und ist nicht ethikfördernd.
Als Sie noch praktizierten, waren Sie dann so frei, Patientinnen ohne Therapie wegzuschicken, wenn es keine Indikation gab?
Aber sicher. Wir erlaubten uns sogar, zugewiesene Patientinnen wegzuschicken, wenn wir keine Indikation sahen. Anhand dieser Patientinnen sah ich, was man theoretisch alles hätte operieren können.
Aber Patienten erwarten doch zu Recht eine Behandlung.
Auch dies ist eine Frage der Kommunikation. Es gibt Diagnosen wie etwa Eierstockzysten, die sich in der Regel innert drei Monaten von selbst lösen. Man kann sie aber auch gleich operieren. Wenn ich der Patientin sage, wir warten ab, kommen sie in drei Monaten wieder, ist allen gedient.
Publikation:
Brida von Castelberg - «Diagnose einer Beziehung - Über Patienten und deren Ärzte», Kein & Aber, eBook 5.50 Franken