Es ist offensichtlich: Die Gesundheitskosten werden zum immer drängenderen Stoff für die Politik. Nach
der SP hat auch die CVP hier ein Schwerpunktthema erkannt. Beim «Dreikönigsgespräch» erklärte Parteichef Gerhard Pfister, die Gesundheitskosten seien zentral für die Mittepartei, weil sie den Mittelstand bedrohen.
Dazu haben der Obwaldner Ständerat Erich Ettlin und der Thurgauer Nationalrat Christian Lohr in den letzten Wochen zwei Parlamentsvorstösse eingereicht, jeweils in Stände- und Nationalrat.
Die eine Idee ist ein Kostendach. Das heisst konkret: Sobald die Kosten pro Grundversicherten in einem Jahr deutlich stärker steigen als die Löhne, muss der Bund «zwingende Kostenbegrenzungsmassnahmen» ergreifen.
Die Baserates in Deutschland
Deutlich stärker, das bedeutet: um das 1,1-Fache. Wenn also beispielsweise die Löhne um 1,5 Prozent steigen, muss der Bund eingreifen, sobald die Prämienkosten im gleichen Jahr um 1,65 Prozent klettern.
Vergleicht man dies mit der heutigen Situation, also mit OKP-Anstiegen von bis 6 Prozent, aber Lohnzuwächsen unter einem Prozent – dann ahnt man: Hier müssten schlagartig drastische Schritte ergriffen werden.
In einem anderen Vorstoss fordern die CVP-Vertreter, dass der Bundesrat die Baserates der Spitäler vergleicht mit anderen Industriestaaten («OECD-Länder mit zu unserem System vergleichbaren DRG-Systemen»). Zur Erklärung schreiben Ettlin, Lohr und ihre Mitunterzeichner: «Ein Blick nach Deutschland, von dessen DRG-System das unsrige abgeleitet ist, legt die Vermutung nahe, dass das Schweizer Tarifniveau für stationäre Spitalleistungen stark überhöht ist».
Drohung mit Volksinitiative
Und sollten dann die Schweizer Baserates tatsächlich über denen vergleichbarer Ländern liegen, so liesse sich hier womöglich ein ein grösseres Sparpotential entdecken.
Vor allem die Kostenbremse scheint der Partei ein ernsthaftes Anliegen zu sein: «Je nach Ausgang der parlamentarischen Debatte lancieren wir möglicherweise eine Initiative», sagte Erich Ettlin gegenüber der «Aargauer Zeitung».
Der
AZ fiel dabei gleich ein interessantes Detail auf: Die Gesundheits-Vorstösse sind von wichtigen Fachpolitikern der Mitteparteien nicht unterzeichnet – insbesondere Nationalrätin Ruth Humbel fehlt auf der Unterstützerliste. Aus den Ferien antwortete die Aargauer Gesundheitsspezialistin kurzerhand: «Wie Sie den Vorstössen Lohr entnehmen können, habe ich sie nicht unterschrieben.»
Im neuen Kernthema Gesundheitspolitik, so die Interpretation, setzt CVP-Präsident Pfister nun offenbar auf neue Akteure – auf Personal, das weniger Berührungspunkte zu Interessengruppen wie Ärzten, Apothekern, Krankenkassen oder Spitälern hat und daher freier agieren kann. Wie Ständerat Erich Ettlin der Zeitung sagte, kämen «frische Besen» eben in bisher unerreichbare Ecken. Und für ihn ist klar: «Läuft die Entwicklung so weiter wie bisher, landen wir bei der Einheitskasse.»
«Es existiert kein Gesundheitsmarkt»
Den neuen Schwerpunkt hatte
Gerhard Pfister bereits Anfang Dezember angekündigt: «Die CVP soll jene Partei sein, dank der man die Kosten im Gesundheitswesen wieder in den Griff bekommt», so der Parteipräsident in einem Gespräch mit der «Schweiz am Sonntag» (Print).
«Es gibt ein Dreieck aus Kassen, Ärzten und Patienten»: CVP-Präsident Gerhard Pfister
Seine Analyse damals: Die Branche benötige wieder «echten Wettbewerb». «Es existiert kein Gesundheitsmarkt», so Pfister. «Es gibt ein Dreieck aus Krankenkassen, Ärzten und Patienten. Die schwierigen Fragen wälzt man in diesem Dreieck gegenseitig ab. Es braucht mehr Selbstverantwortung.»
Die geplante Kostenbremse bedeute letztlich, dass die Politik einen Auftrag an alle Beteiligten im Gesundheitswesen definieren muss: So viel müssen sie zwingend einsparen. «Wie sie diese Kosten einsparen, ist ihre Sache», so Pfister. Aber: «Ohne Druck der Politik kommen die Akteure im Gesundheitswesen offensichtlich nicht mehr weiter.»
Vorbild Singapur
Als Vorbild nannte Pfister damals Singapur: Der südostasiatische Stadtstaat habe eines der besten Gesundheitssysteme, aber pro Kopf nur ein Drittel soviel Ausgaben wie die Schweiz. Das Konzept dort: Jeder Mensch bekommt bei der Geburt ein Gesundheits-Guthaben vom Staat. Hat er es aufgebraucht, erhält er nur noch elementare Grundleistungen. Stirbt er, geht das Restguthaben auf die Nachkommen über.
Pfister gestand im Interview aber ein, dass dieses System in Europa wohl kaum funktioniere. «Für unsere freiheitliche und individuelle Gesellschaft ist das kein gangbarer Weg.» Interessant sei aber der hohe Akzent der Selbstverantwortung.