Dem schweizerischen Gesundheitswesen Sorge tragen

Der ehemalige Spitaldirektor Silvio Zuccolini schreibt in einem Gastbeitrag über den neuen Leistungstarif, über das IPV-Gesetz und über die Reservebildung. Für ihn wird der neue Leistungstarif Tardoc analog Tarmed zum Rohrkrepierer.

, 18. Juni 2022 um 05:03
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Vor einigen Jahren wurden die damaligen etwas altmodischen Medizinal-Tarifsysteme (MTK) im ambulanten Bereich für Ärzte und Spitäler mit einem riesigen, man spricht von Millionen, Aufwand durch das «ausgeklügelte« Tarmed-System abgelöst, das nun wieder erneut abgelöst werden soll. Die Hauptbegründungen lauteten damals, dass man die technischen Leistungen tiefer und die sogenannten intellektuellen Leistungen des Arztes höher bewerten wollte. Man sprach sogar von Kosteneinsparungen! Die Folge der ganzen Übung Tarmed brachte eher das Gegenteil. Immerhin spricht man jetzt von Kostensteigerung und nicht von «Kostenexplosion». 
Zur Zeit läuft es mit der neuen Tarifdiskussion genau gleich ab mit den gleichen Argumenten. Auch die Genehmigungsinstanzen, die Tarifpartner (kann man von «Partner» reden?) sind sich nicht einig. Der zuständige Bundesrat und sein Bundesamt BAG haben den neuen Vertragsentwurf mit für mich unklaren Argumenten zur Überarbeitung zurückgewiesen.

Massives Bashing gegen das Gesundheitswesen

Parallel erscheint in letzter Zeit in den Medien, wieder einmal ein massives Bashing gegen unser sehr gut funktionierendes und anerkanntes Gesundheitswesen. So kann man folgende Schlagzeilen lesen, die alle paar Jahre unverändert erscheinen:
  • «Steigende Kosten befürchtet»
  • «Zu viele Ärzte und Spitäler» 
  • «Bundesrat sucht Rezept gegen steigende Prämien»
  • «Kosten bremsen»
  •  «Zu teuer»
  • «Prämien weiter verbilligen»
  • «Wie lässt sich der Kostenanstieg stoppen» 
usw. 
Ich verzichte, die dazu geschriebenen, grösstenteils unqualifizierten Artikel zu kommentieren.
Nur etwas möchte ich loswerden: Halten wir zu unserem Gesundheitswesen Sorge. Lassen wir uns durch die zum Teil polemischen Kritiken auch aus den Federn von Gesundheitsökonomen und sich aufspielenden Gesundheitspolitikern, die die Initiativen ihrer Parteien herunterbeten, nicht unnötig Angst machen. Wir brauchen dieses, zugegeben etwas teure Gesundheitswesen ganz dringend, auch, wenn es verschiedene Akteure gibt, die davon profitieren.

IPV-Gesetz abschaffen

Ein grosser Kostentreiber ist das unsägliche vor Jahren mit eigentlich guten Absichten eingeführte Gesetz der individuellen Krankenkassen-Prämien Verbilligung (IPV), das die Finanzen der Kantone gehörig belastet (Fass ohne Boden!) Hier sollte Abhilfe geschaffen werden. Solange wir dieses System haben, bleibt es bei den Prämien und deren Steigerungen.

Reservebildung verbieten

Ein weiteres Problem, das man mal angehen sollte, sind die massiven Reserven der Krankenversicherer, die ein unverantwortliches Mass angenommen haben. Gleichzeitig hört man das Gejammer über die Krankenkassen-Prämien, die ja mit Steuergeldern verbilligt werden. Mein Vorschlag wäre, dass man die Prämien mit den Reserven nur bei Bedarf verbilligt, das heisst sogar auf Erhöhungen gar verzichtet.
Silvio Zuccolini war bis zu seiner Pensionierung über 40 Jahre lang Direktor des Spitals Thusis.  
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