Demenz: «Die Fallzahlen nehmen drastisch zu»

Rund 146’500 Menschen leiden in der Schweiz an Demenz. Diese Zahl soll sich bis 2050 verdoppeln. Alzheimer Schweiz und andere Organisationen rufen nun zum Handeln auf.

, 22. September 2021 um 07:52
image
Alzheimer Schweiz, Swiss Memory Clinics sowie die Stiftung Synapsis – Alzheimer Forschung Schweiz sind alarmiert. Sorgen bereiten die wachsenden Fallzahlen, das grosse Leiden der Betroffenen und die steigenden sozio-ökonomischen Belastungen durch Demenzerkrankungen.
Derzeit leben in der Schweiz zirka 146’500 Menschen mit Demenz. Die meisten davon sind an Alzheimer erkrankt. «Diese Zahl wird sich in den kommenden drei Jahrzehnten verdoppeln: Gemäss Prognosen werden 2050 rund 315'000 Menschen mit Demenz leben», schreiben die nationalen Organisationen in ihrer Mitteilung. Angesichts der drastischen Zunahme von Erkrankungen seien dringlich Massnahmen nötig. 

11,8 Milliarden verursachen Demenzen

Eine solche Zunahme könne das heutige Betreuungs- und Versorgungssystem nicht bewältigen. Denn die Behandlung und Betreuung von Menschen mit Demenz sei sehr aufwändig und belaste auch die Angehörigen stark, heisst es weiter. 
Bereits heute verursachen Demenzen jährliche Kosten von rund 11,8 Milliarden Schweizer Franken. Fast die Hälfte dieser Kosten – sprich 47 Prozent oder 5,5 Milliarden Franken – übernehmen die Angehörigen durch ihre unbezahlte Betreuungs- und Pflegeleistungen.

«Schweiz muss handeln»

Die drei nationalen Demenzorganisationen Alzheimer Schweiz, Swiss Memory Clinics und die Stiftung Synapsis – Alzheimer Forschung Schweiz fordern nun, dass die Schweiz stärkere Anstrengungen unternimmt, um der wachsenden Zahl von Menschen mit Demenz und den damit verbundenen Auswirkungen zu begegnen.

«Die Nationale Demenzstrategie von Bund und Kantonen (2014–2019) konnte zwar einzelne Impulse setzen. Im Alltag der Erkrankten und ihrer Familien hat sich bislang aber wenig verändert», machen die Organisationen deutlich. 
Sie fordern, dass der Bund (SBFI, BAG, BFS und BSV), die Kantone und Gemeinden, die Forschungsgemeinschaft mit ihren Hochschulen und den Förderorganisationen sowie Versorgungsinstitutionen wie Hausärzte, Therapeuten, Spitex und Heime «die enorme Herausforderung der Demenz mit einer gemeinsamen, klaren Agenda angehen».

Diese Massnahmen in der Forschung, in der Prävention sowie in der Behandlung und Betreuung fordern die Organisationen:

  • Die Entstehungsmechanismen von Demenzerkrankungen sind weitgehend unbekannt. Es muss vermehrt in die Forschung investiert werden, um die Ursachen zu entschlüsseln und geeignete Ansätze für die Diagnose, Behandlung und Betreuung an Demenz erkrankter Personen entwickeln zu können. Dazu müssen langfristig angelegte Förderprogramme ins Leben gerufen werden und verlässliche Zahlen über Demenzerkrankungen in der Schweiz erhoben werden.
  • Viele Demenzerkrankungen lassen sich vermeiden. Dank Früherkennung können zudem bereits heute schwere Verläufe verzögert werden. Daher braucht es rasch Präventions- und Früherkennungsprogrammen, die auch in der hausärztlichen Praxis angewandt werden können.
  • Nach der Diagnose bleiben Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen oft auf sich allein gestellt. Dies führt zu einem schlechten Krankheitsverlauf, belastet Angehörige zusätzlich und hat frühzeitige Heimeinweisungen zur Folge. An die Diagnose müssen sich daher demenzspezifische Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Betroffene anschliessen. Auch müssen die mit der Betreuung verbundenen Kosten gesetzlich anerkannt und entsprechend finanziert werden.

Die drei nationalen Demenz-Organisationen

Alzheimer Schweiz ist ein gemeinnütziger Verein mit über 10'000 Mitgliedern und rund 130'000 Gönnerinnen und Gönnern. Die Organisation ist in jedem Kanton mit einer Sektion vertreten. Seit über 30 Jahren unterstützt Alzheimer Schweiz Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen und Fachpersonen aus der Pflege und Betreuung und fördert Forschung zur Verbesserung der Lebensqualität.
Swiss Memory Clinics ist der Verein der spezialisierten Kliniken mit Schwerpunkt Demenz und Gedächtnissprechstunden. Ziel ist es, die Diagnose- und Behandlungsqualität bei Demenzerkrankungen schweizweit auf hohem Qualitätsniveau zu etablieren. Entsprechend dieser Zielsetzung verpflichten sich die Mitglieder Qualitätsstandards einzuhalten. Darüber hinaus fördert der Verein die Informations- und Wissensvermittlung und die Interdisziplinarität.
Die Stiftung Synapsis – Alzheimer Forschung Schweiz AFS ist eine gemeinnützige, steuerbefreite Stiftung schweizerischen Rechts. Sie fördert die Erforschung der Alzheimer-Krankheit und anderer neurodegenerativer Erkrankungen. Mit bisher über 90 unterstützen Forschungsprojekten ist die Stiftung die bedeutendste private Förderorganisation auf diesem Forschungsgebiet in der Schweiz.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

BAB: Natalie Rickli zieht die Reissleine

Die Zürcher Amt für Gesundheit plante, für das Spitex-Pflegepersonal breitgefächert Berufsausübungs-Bewilligungen zu verlangen. Nun ist der Vorgang sistiert.

image

Atomkraftwerk-Betreiber müssen Jodtabletten zahlen

Der Bundesrat will AKW-Betreiber per Gesetz zur Verteilung von Jodtabletten verpflichten.

image

«Es tobt ein heftiger Konflikt mit den Krankenkassen»

Vor einem Jahr der grosse Physio-Aufstand und die Hoffnung auf bessere Tarife. Und jetzt? Laut den Physiotherapeuten geschah wenig. Die Rede ist gar von Schikanen der Krankenkassen.

image

Luzern: Mehr Geld für die ärztliche Weiterbildung

7,65 Millionen Franken sollen zusätzlich in die Weiterbildung von Ärzten in den Spitälern der kantonalen Spitalliste fliessen.

image

Psychiater schreibt den «Berset-Code»

Kein Krimi: In einer Woche erscheint ein Buch über den Ex-Gesundheitsminister Alain Berset. Der Psychiater Gregor Hasler hat es verfasst.

image

Ihre Ideen sind gefragt: Wie spart man 300 Millionen pro Jahr?

Beim ersten «Runden Tisch» des Gesundheitswesens setzten die Akteure ein Sparziel, das ab 2026 gelten soll. Dazu soll auch die Bevölkerung kreativ beitragen.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.