«Wir werden die Pandemie mit RVX-13 beenden», machte Vladimir Cmiljanovic, CEO des Basler Startups Rocketvax, letzten Herbst Hoffnung. Eigentlich hätten die Phase 1 und 2 der klinischen Studien des vielversprechenden Lebendimpfstoffs im April/Mai starten sollen, mit dem Ziel «gegen Ende 2022/Anfang 2023 weltweit das beschleunigte Verfahren für die Zulassung bei den entsprechenden Behörden einreichen zu können», erklärte der ehemalige Handballprofi einem
Interview mit Medinside.
Inzwischen sind acht Monate vergangen – doch um RVX-13 ist es ruhig geworden. Mehr noch: Das weltrettende Mittel scheint von einem anderen Vakzin in den Schatten gestellt zu werden: von RVX-sCPD9.
Tests im Labor an Hamstern
Es ist der abgemilderte Sars-CoV-2-Lebendimpfstoff von Rocketvax, der gemäss einer
wissenschaftlichen Studie, die im Preprint veröffentlicht wurde, eine überlegene Wirksamkeit gegenüber den bestehenden mRNA- und viralen Vektorimpfstoffen haben soll.
«Durch die intranasale Verabreichung aktiviert das Vakzin ein breites Spektrum des mukosalen und systemischen Immunsystems und zeigt damit einen möglichen Weg zur Beendigung der Pandemie auf», kommen
Jakob Trimpert und
Dusan Kunec vom Institut für Virologie der Freien Universität Berlin zum Schluss. Kurz zusammengefasst soll
RVX-sCPD9- eine robuste Immunität nach einer Einzeldosisimpfung und einem Booster nach einer mRNA-Primärimpfung zur Folge haben,
- aufgrund der intranasalen Applikation die Aktivität der Schleimhautimmunität in den oberen Atemwegen induzieren und so einen hohen Schutz gegen Sars-CoV-2-Infektionen an der Eintrittsstelle bieten,
- im Gegensatz zu den mRNA- oder Adenovirus-basierten Impfstoffen die bedenklichen Sars-CoV-2-Varianten Beta, Delta und vor allem Omicron neutralisieren,
- durch die intranasale Verabreichung ohne Nadel als Neu- oder Auffrischungsimpfung einfach in der Anwendung sein.
Das klingt zwar vielversprechend. Doch was wird aus dem Impfstoff, der die Welt retten sollte? Nach vielen Versuchen, einen Termin mit RocketVax zu vereinbaren, wurden die folgenden Fragen schriftlich beantwortet:
Herr Cmiljanovic, RVX-13 sollte, wie Sie sagten, die Pandemie beenden. Diese Prognose war wohl zu hoch gegriffen. Die Covid-Massnahmen sind aufgehoben und die besondere Lage beendet; auch gibt es bis anhin keine gefährlichen Mutanten. Kommt der weltrettende Impfstoff zu spät?
Die Pandemie ist leider noch nicht beendet und die Omikron Varianten zirkulieren nun weiter rund um den Planeten. Es ist nicht so, dass es keine gefährlichen Mutanten gibt. Unser Immunschutz durch die Impfungen und die natürlichen Infektionen ist stärker geworden. Das Virus ist leider ständig am Mutieren, um unseren Immunschutz auszuweichen. Die neuen Omikron Subtypen machen es erfolgreich und wir erwarten eine neue Welle in Europa, die in einigen Ländern wie Portugal (30'000 Infektionen täglich) bereits gestartet hat. Deshalb braucht es neue effizientere Impfstoffe, womit die Reinfektionen nicht mehr stattfinden.
Wie ist der Stand der Dinge hinsichtlich der Entwicklung von RVX-13? Konnte mit den klinischen Studien gestartet werden?
RVX-13 ist weiterhin in der preklinischen Testung. RocketVax hat aber zwei zusätzliche Covid-19 Impfstoffe durch eine erweiterte Partnerschaft mit öffentlichen Schweizerischen und Deutschen Instituten einlizenzieren können. RVX-sCPD9 aus Berlin und RVX-OTS4578 aus Bern sind die lebend, abgeschwächte Sars-CoV-2 Viren, die als Impfstoffe in Tieren sehr erfolgreich getestet wurden. RVX-sCPD9 ist von 3 Impfstoff-Kandidaten am meisten fortgeschritten und bereits in der Produktionsphase für die klinischen Studien im Menschen.
Wie viel wurde bisher in die Entwicklung von RVX-13 investiert?
Bisher wurden rund 15 Millionen Schweizer Franken investiert.
RVX-sCPD9 sieht vielversprechend aus – welcher Unterschied besteht zu RVX-13 abgesehen davon, dass er durch die Nase zugeführt wird?
Beide Impfstoffe sind als Nasenspray anzuwenden. RVX-13 ist ein künstlich hergestelltes Sars-CoV-2 Virus, ohne die Fähigkeit sich zu vermehren, da die Replikationsproteine aus dem Genom des Virus weggenommen wurden. RVX-sCPD9 ist ein künstlich hergestelltes langsam-replizierendes Sars-CoV-2 Virus. Durch die langsame Replikation hat das Immunsystem genügend Zeit zu reagieren und eine volle Abwehr aufzubauen. Die traditionellen Impfstoffe wie diese gegen Polio-Virus Krankheit, Masern oder Gelb Fieber sind langsam replizierende Viren und wirken erfolgreich für einige Jahren.
Einen Grippenschutz durch die Nase gab es bereits im Jahr 2012. «Fluenz» konnte sich aber nicht durchsetzen. Für wen eignet sich der Impfstoff RVX-sCPD9 überhaupt?
Ein Grippenschutz vor dem Influenza Virus durch «Fluenz» oder «Flumist» hat sich nicht durchgesetzt bei Erwachsenen, jedoch das Produkt ist für Kinder auf dem Markt. RocketVax entwickelt die intranasale Formulierung für SARS-CoV-2 Virus. RocketVax Impfstoff soll sich für alle Altersgruppen eignen.
Sie sagen, RVX-sCPD9 habe eine aussergewöhnliche Leistung im Vergleich zu den mRNA- oder Adenovirus-basierten Impfstofftechnologien. Heisst das, dass er länger hält und wenig Nebenwirkungen hat?
RVX-sCPD9 hat in Tierstudien eine deutlich bessere Wirksamkeit gezeigt. Der Impfstoff wurde in Tieren intranasal verabreicht und konnte eine breite Schleimhaut-Immunität zeigen. Die Antikörper aber auch die T-Zellen, die verschiedene Virusstellen angreifen und nicht nur das Spike Protein, konnten aktiviert werden. Deshalb sagen wir voraus, dass der Impfstoff einen längeren Schutz haben wird als die Impfstoffe der ersten Generation. Wir erwarten mindestens ein Jahr Schutz ohne Reinfektionen. Ob RVX-sCPD9 mehrere Jahre Schutz bietet oder ob es auf eine saisonale Impfung wie bei der Grippe hinausläuft, wird erst die Zukunft zeigen.
RVX-sCPD9 soll wirksam gegen alle bedenklichen Varianten, vor allem Omikron, sein. Inzwischen ist die Bevölkerung durchseucht und Omikron hat die Eigenschaft einer normalen Grippe.
Die Omikron Varianten sind doch genügend fähig, das Immunsystem auszuweichen. Ein Boosting mit RocketVax-Impfstoff ist unseres Erachtens sehr wichtig, um eine Schleimhautimmunität zu erreichen, die man mit den Impfstoffen der ersten Generation nicht hat, da die jetzigen Impfstoffe auf dem Markt intramuskulär verabreicht werden. Mit dem Boosting schützt man sich gegen die Re-Infektion aber auch gegen gegen Long Covid.
Bis wann können wir mit dem Impfstoff rechnen?
Ich würde gerne die Phase I mit 40 bis 60 Teilnehmenden im zweiten Quartal 2023 beginnen. Diese wird etwa drei Monate dauern. Im Idealfall könnten wir Ende 2023 einen Antrag auf bedingte Marktzulassung bei Swissmedic einreichen. Die Prüfung würde beginnen, während die Phase-III-Studie läuft. Wäre diese erfolgreich, könnte der Impfstoff bereits Ende 2023 oder Anfang 2024 als Booster zugelassen werden.
Vakzin mit Wurzeln in Bern
Der Impfstoff RVX-sCPD9 wurde an der
Freien Universität Berlin von Professor Nikolaus Osterrieder, Dusan Kunec und Jakob Trimpert entdeckt. Grundlage für die Entdeckung von RVX-sCPD9 war das klonierte Sars-CoV-2-Viruskonstrukt von
Professor Volker Thiel vom Institut für Virologie und Immunologie und der Universität Bern in der Schweiz. Das Projekt wird durch das Nationale Forschungsprogramm
Covid-19 (NFP 78) des Schweizerischen Nationalfonds und die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt.