Ausgangspunkt war ein Artikel in der Zeitung
«Schweiz am Sonntag». Die Kernaussage dort: Die Schweiz verliere an Attraktivität für deutsche Mediziner; es werde immer mühsamer, die Lücken in der Ärzteschaft durch Verstärkung aus Deutschland zu füllen.
Der Beitrag basierte auf Aussagen von Personalvermittlern und einzelnen Spitalvertretern. «Es ist grundsätzlich schwieriger geworden, Deutsche in die Schweiz zu bewegen»: So wurde etwa Gregor Lüthy vom Unversitätsspital Zürich zitiert. Die hiesigen Kompensations-Packages hätten gegenüber Deutschland an Attraktivität eingebüsst.
«Zweimal überlegen, bevor sie einen Job annehmen»
Oder: «Die Schweiz hat an Anziehungskraft verloren», sagte Julia Balensiefen in der
SaS; sie arbeitet für
B-plus, einen Kadervermittler und Spezialisten für die Suche von Ärzten. Als Grund für die Entwicklung nannte Balensiefen die attraktiver gewordenen Arbeitsbedingungen in Deutschland. Auch habe es sich herumgesprochen, «dass Deutsche in der Schweiz nicht nur willkommen sind».
Die Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative habe viele enttäuscht, teils gar zur Rückkehr veranlasst. Die SVP-Initiative sei «auch heute oftmals ausschlaggebend, dass es sich Deutsche zweimal überlegen, einen Job in der Schweiz anzunehmen.» Vor allem Ärzte mit Familien seien zurückhaltend, da sie ihre Kinder nicht Anfeindungen aussetzen wollten, so die Personalvermittlerin.
Grafik: OECD, «Health at a Glance» 2015
Es war dieser Konnex, der die Meldung besonders brisant erscheinen liess (und in den Kommentarspalten das übliche Hin und Her provozierte). Denn bei genauem Hinsehen zeigt sich auch, dass die These vom Ausbleiben der deutschen Mediziner erstens nicht ganz neu ist – und zweitens von den Zahlen nicht ganz so klar gestützt wird.
Beruhigendere Statistik
Die FMH-Ärztestatistik zeigt einerseits, dass der Anteil der Mediziner mit einem ausländischen Arztdiplom auch letztes Jahr weiter gestiegen ist; die Quote erreichte 31,5 Prozent. Oder anders: 11'100 Ärzte hatten ein ausländisches Diplom – und gut 6'000 davon kamen aus Deutschland.
Zum Vergleich: Im Jahr 2013 arbeiteten rund 5'600 deutsche Ärzte in der Schweiz.
Erfasst wird also allenfalls die Andeutung einer Trendwende (die sich noch gar nicht in den Zahlen ausdrückt), um nicht zu sagen: eine gefühlte Wende. Diese Wende wiederum deutet sich seit rund zwei oder drei Jahren an – seit jener Zeit melden die Kliniken, dass sich auf ihre ausgeschriebenen Ärztestellen eher weniger Kandidaten aus Deutschland bewerben als in den Jahren davor.
Abwanderungsdruck hat nachgelassen
Das hat zuerst einmal Gründe, die in Deutschland selber liegen. «Der Abwanderungsdruck hat nachgelassen in den vergangenen Jahren», sagte etwa Hans-Jörg Freese von der Ärzteorganisation
«Marburger Bund» vor einiger Zeit der NZZ. Und er erklärte dies mit besseren Arbeitsbedingungen: weniger Marathondienste, bessere Planbarkeit, höhere Gehälter in den deutschen Kliniken.
Und so liesse sich die Lage derzeit wohl am genauesten in einem Satz erfassen, den Martin Jordan vom Universitätsspital Basel in der «Schweiz am Sonntag» äussert: Zwar ist der Anteil der Deutschen stabil – es fragt sich allerdings wie lange noch.
Doch, da ist sicher was dran.