Die Kostenfrage: Warum studieren Spezialisten so fleissig Akten?

Die Krankenkassenprämien steigen um 3 bis 4 Prozent – wegen entsprechend wachsender Gesundheitskosten. Ein Grund dahinter: Spezialaufwand bei Spezialisten.

, 17. Juli 2015 um 12:02
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Die Meldung ging heute früh übers Radio raus: Santésuisse rechnet für 2015 mit einem Anstieg der Gesundheitskosten von 3,5 Prozent pro versicherte Person. Als Hauptgründe für das diesjährige Kostenwachstum nennt der Krankenkassen-Verband die stark gestiegenen Anzahl Ärzte und den höheren Kosten pro ambulante Behandlung.
Inzwischen hat Santésuisse noch konkretere Zahlen dazu veröffentlicht: Der ambulante Arzt- und Spitalbereich verursacht in der obligatorischen Grundversicherung ein Kostenvolumen von gut 14 Milliarden Franken (inklusive Medikamente); und hier steigen die Kosten in diesem Jahr  voraussichtlich um rund fünf Prozent – also überdurchschnittlich.

Radiologie, Kardiologie, Urologie, Orthopädie

Laut den Versicherern schlagen sich hier die Zulassungen für Spezialärzte nieder, die noch vor dem seit Sommer 2013 geltenden Zulassungstopp ihre Tätigkeit aufgenommen hatten. Genannt werden dabei vor allem Mediziner aus den kostenintensiven Spezialbereichen Radiologie, Kardiologie, Urologie, Herzchirurgie und Orthopädie.
Dieses Jahr legt Santésuisse den kritischen Finger auf einen bestimmten Tarif-Detailpunkt: Auffallend sei das Wachstum bei der Position «Konsultation in Abwesenheit des Patienten», die unter anderem für das Aktenstudium verwendet wird. Dieser Tarifposten werde insbesondere von Radiologen, Gastroenterologen,  Orthopäden und Urologen massiv ausgeschöpft. Im Bereich Spital ambulant sei die Papier-Position ebenfalls angestiegen, allerdings in etwas geringerem Umfang.

«Ärzte kassieren – auch wenn kein Patient da ist»

Den Hinweis auf diesen rätselhaften Posten hatte Santésuisse-Direktorin Verena Nold schon in der SRF-Sendung «HeuteMorgen» gegeben, und er wurde in den Medien prompt prominent aufgegriffen: «Ärzte kassieren – auch wenn kein Patient da ist», titelte «20 Minuten». Und «Blick online» rief: «Weil Ärzte immer mehr Akten studieren: Krankenkassenprämien steigen schon wieder».
Die Stiftung für Konsumentenschutz formulierte den Verdacht denn gegen Mittag in einem Communiqué direkt aus: «Der Rückschluss liegt nahe, dass die Spezialärzte so für ein zusätzliches Einkommen sorgen, wenn sie mit der Anzahl Konsultationen scheinbar zu wenig Einkommen erzielen. Diese Entwicklung muss unbedingt gestoppt werden.»

Der durchschnittliche Arztbesuch wurde teurer

Allerdings liege es an den Krankenkassen, schärfer zu kontrollieren. Nur sie überblickten die Abrechnungspraxis eines Arztes: «Für die Patienten selbst ist es nicht ersichtlich, ob ihr Spezialarzt zu hohe Rechnungen stellt und ob das verrechnete Aktienstudium im Rahmen liegt oder nicht», so die Konsumenten-Vertreter.
Santésuisse benennt allerdings noch weitere Aspekte hinterm anstehenden Prämienanstieg.
  • Mehr Kosten pro Arztbesuch: Die Zahl der ambulanten Arztbesuche stieg zwischen 2013 und 2014 nur um ein Prozent. Doch auf der anderen Seite stieg der abgerechnete Betrag pro Arztbesuch bei den niedergelassenen Ärzten. 
  • Stabilität bei den stationären Spitalkosten. Die mit Prämiengeldern finanzierten Kosten für Spitalaufenthalte steigen im Jahr 2015 voraussichtlich um 0,5 Prozent. Denn hier fand eine Verlagerung statt, da in mehreren Kantonen der Vergütungsanteil an den Fallpauschalen der Spitäler erhöht wurde – eine Kostenverlagerung hin zu den Steuerzahlern.
Für 2016 erwartet der Krankenkassenverband dann ein leicht tieferes Wachstum der Gesundheitskosten: Es dürfte knapp drei Prozent erreichen.
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