Daran gibt es nichts zu rütteln: Die Pflegeinitiative nützt dem Pflegepersonal einiges mehr als der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments. Denn die Initiative bietet eindeutig mehr als das, was das Parlament dem Pflegepersonal gewähren will.
Der Gegenvorschlag sieht vor:
- Eine Ausbildungsoffensive: Der Bund spricht Ausbildungsbeiträge von einer Milliarde Franken über acht Jahre.
- Neue Kompetenzen: Pflegefachleute dürfen bestimmte Pflegeleistungen ohne ärztlichen Auftrag erbringen und selbstständig abrechnen.
Die Initiative sieht zusätzlich vor:
- Pflegefachleute im Beruf halten: Mit besseren und familienverträglichen Arbeitsbedingungen.
- Sicherung der Pflegequalität: Mehr Personal pro Schicht.
Gegen solche Verbesserung lässt sich kaum etwas sagen. Doch warum empfehlen dann ausgerechnet die Spitäler und Heime, die Initiative abzulehnen? Sie tun dies mit einem seltsamen Argument. Sie behaupten nämlich, die Initiative verzögere die Verbesserungen fürs Pflegepersonal. Es drohe «ein jahrelanger Prozess mit ungewissem Ausgang.»
Das tönt sehr personalfreundlich. Doch die Spitäler sind auch aus Eigennutz gegen die Initiative. Für sie wäre die Annahme des Gegenvorschlags einiges billiger: Der Bund und die Kantone würden die Ausbildungsoffensive bezahlen. Wird hingegen die Initiative angenommen, stünden auch die Arbeitgeber in der Pflicht: Sie müssten für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal sorgen – und das auch bezahlen.
Zu einem «jahrelangen Prozess mit ungewissem Ausgang» wird es mit der Annahme der Pflegeinitiative nicht kommen. Denn sie fordert vom Bundesrat innert 18 Monaten Sofortmassnahmen zur Bekämpfung des Pflegenotstands.
Es geht also am 28. November nicht darum, zwischen der verlockenden Taube auf dem Dach und dem kleineren Spatzen in der Hand zu wählen, wie das die Gegner der Initiative darstellen. Mit der Initiative hat das Pflegepersonal die Taube in der Hand. Es erhält endlich die nötigen Verbesserungen und muss nicht darauf warten, bis sich die Spitäler freiwillig dazu entscheiden, ihr Personal pfleglicher zu behandeln.
Nicht einmal aus taktischen Gründen muss man auf den indirekten Gegenvorschlag setzen. Sollte die Initiative abgelehnt werden, tritt automatisch der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft.
Die Befürworter der Initiative:
Ärztevereinigung FMH, Pharmasuisse, Gewerkschaften, SP, die Grünen und Grünliberalen, EVP.
Die Gegner der Initiative:
Der Spitalverband Hplus, der Heimverband Senesuisse, die privaten Spitexorganisationen, SVP, FDP, der Gemeindeverband und die Konferenz der Kantonsregierungen
Die Unentschlossenen:
Die Mitte-Partei hat Stimmfreigabe beschlossen.
Die Abweicher:
Die Junge SVP des Kantons Bern und die Junge Mitte-Partei der Schweiz befürworten die Initiative.