Wo ist die Grenze erreicht, dass jemand eine Berufsausübungs-Bewilligung benötigt – und wo noch nicht? Das erneuerte Gesundheitsberufe-Gesetz, dessen letzte Umsetzungsfrist im Februar 2025 abläuft, erweist sich als Grauzone. Der Bund verlangt solch eine BAB für Gesundheits-Personal, das «in eigener fachlicher Verantwortung» arbeitet – aber was bedeutet das? Dies sollen die Kantone entscheiden.
Im Kanton Zürich kam das federführende Amt für Gesundheit auf die Idee, dass künftig beispielsweise die Physiotherapeuten oder die Pflegefachpersonen in Spitex-Organisationen flächendeckend eine Berufsausübungs-Bewilligung beantragen müssen – ganz gleich, ob sie einen HF-, FH- oder APN-Abschluss haben oder ob sie angestellt sind. Das führte zu ersten Protesten der betroffenen Organisationen wie auch des Personalverbands SBK.
Später krebste die Behörde etwas zurück: Nun sollte die Anforderung im Spitex-Bereich nur für Personen gelten, die zu mehr als 50 Prozent angestellt sind. Dies schien einerseits pragmatisch, allerdings ist es materiell gar nicht so einfach zu erklären.
«Ähnliche Situationen vermeiden»
Ende November wurden die Spitex-Dienste
dann informiert, dass auch diese Forderung vorerst aufgehoben sei; die Gesundheitsdirektion stellte eine Lösung für Januar in Aussicht.
Jetzt geht es noch etwas länger. Denn Natalie Rickli, die Vorsteherin der Gesundheitsdirektion, liess ein externes Rechtsgutachten in Auftrag geben: Dieses soll die geplante kantonale Umsetzung des Bundesgesetzes überprüfen.
Zudem wird eine externe Stelle die Handhabung des Gesundheitsberufegesetzes durch das Amt für Gesundheit kontrollieren, «damit ähnliche Situationen in Zukunft vermieden werden können»,
so die Mitteilung des Kantons.
Weitermachen ohne BAB
Das nächste Stichdatum ist nun Anfang März: Dann will die GD über allfällige Änderungen bei der Umsetzung informieren. «In der Übergangsphase bis zu diesem Zeitpunkt besteht für angestellte Berufsangehörige der betroffenen Berufsgruppen ohne Leitungsfunktion kein Handlungsbedarf. Sie können in dieser Zeit auch ohne Berufsbewilligung ihre Tätigkeit weiterhin ausüben.»
Betroffen sind neben der Pflege respektive den Spitex-Organisationen auch die Physiotherapie, die Ergotherapie, die Hebammen, der Bereich Ernährung und Diätetik, die Optometrie sowie die Osteopathie.
Bürokratie ≠ Qualität
Der Spitex Verband Kanton Zürich begrüsst die Denkpause: «Die Beantragung einer Berufsausübungsbewilligung ist mit hohem administrativem und zeitlichem Aufwand für die Angestellten verbunden», heisst es in einem Mediencommuniqué. «Daneben fallen auch Kosten an, wobei alleine die Gebühr 800 Franken Kosten pro Person verursacht. Die Kosten – im Kanton Zürich in Millionenhöhe – würden letztlich zu Lasten der Steuer- und Prämienzahlenden gehen.»
Dabei bezweifle der Verband, dass flächendeckende BAB die Pflegequalität verbessern.
Zudem hätte die neue bürokratische Hürde die Versorgung der Bevölkerung bedroht, da die Spitex auch kurzfristig Pflegefachleute temporär anstellen muss – «was durch die Notwendigkeit einer Berufsausübungsbewilligung verhindert würde.»
Ähnlich argumentiert der Regionalverband Zürich-Glarus von Physioswiss: «Mit einer Berufsausübungsbewilligung für alle wird nichts gewonnen. Stattdessen führt sie zu einer überbordenden Bürokratie und unnötigen Kosten für eine Branche wie die unsrige, die eh schon unterfinanziert ist», schreibt der Physioswiss-Verband: Ob Gesundheitsfachpersonen über die nötigen Kompetenzen verfügen, liesse sich deutlich einfacher und effektiver überprüfen. «Aus diesem Grund erwartet der Regionalverband Zürich-Glarus eine pragmatische, versorgungsorientierte Umsetzung.»
Weitere Kosten
Effizient und pragmatisch? Einschätzen lässt sich dies etwa mit den verlangten Unterlagen (deren Beschaffung notabene nochmals staatliche Gebühren kostet). Die
Liste der Zürcher Behörden umfasst unter anderem: Kopie von ID oder Pass; Diplome; amtlich beglaubigte Kopie weiterer akademischer Titel; Handlungsfähigkeitszeugnis; Strafregisterauszüge aus allen Ländern, in denen man in den letzten 5 Jahren wohnte; Sonderprivatauszug; Anstellungsbestätigung; alle Arbeitszeugnisse der vergangenen 5 Jahre;
etc. Auch hier zeigen sich erhebliche Unterschiede – etwa wenn man es
mit Obwalden vergleicht.
Im Hintergrund steht, dass der Bundesrat selber darauf verzichtete, den Begriff «Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung» auf Verordnungsstufe zu konkretisieren. Es sei die Aufgabe der kantonalen Behörden, «je nach spezifischen Gegebenheiten im Einzelfall zu prüfen, ob eine Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung vorliegt und die Gesundheitsfachperson somit über eine Bewilligung verfügen muss»,
teilte das BAG dazu mit.