BAB: Kanton Zürich bestellt Rechtsgutachten

Wer arbeitet jetzt «in eigener fachlicher Verantwortung»? Das Gesundheitsberufe-Gesetz des Bundes sorgt für Konfusion – offenbar je länger, je mehr.

, 11. Dezember 2024 um 00:00
image
Will «Klarheit schaffen und zu einer tragfähigen Lösung kommen»: Natalie Rickli (SVP), Vorsteherin GD Kanton Zürich | Bild: RR ZH
Wo ist die Grenze erreicht, dass jemand eine Berufsausübungs-Bewilligung benötigt – und wo noch nicht? Das erneuerte Gesundheitsberufe-Gesetz, dessen letzte Umsetzungsfrist im Februar 2025 abläuft, erweist sich als Grauzone. Der Bund verlangt solch eine BAB für Gesundheits-Personal, das «in eigener fachlicher Verantwortung» arbeitet – aber was bedeutet das? Dies sollen die Kantone entscheiden.
Im Kanton Zürich kam das federführende Amt für Gesundheit auf die Idee, dass künftig beispielsweise die Physiotherapeuten oder die Pflegefachpersonen in Spitex-Organisationen flächendeckend eine Berufsausübungs-Bewilligung beantragen müssen – ganz gleich, ob sie einen HF-, FH- oder APN-Abschluss haben oder ob sie angestellt sind. Das führte zu ersten Protesten der betroffenen Organisationen wie auch des Personalverbands SBK.
Später krebste die Behörde etwas zurück: Nun sollte die Anforderung im Spitex-Bereich nur für Personen gelten, die zu mehr als 50 Prozent angestellt sind. Dies schien einerseits pragmatisch, allerdings ist es materiell gar nicht so einfach zu erklären.

«Ähnliche Situationen vermeiden»

Ende November wurden die Spitex-Dienste dann informiert, dass auch diese Forderung vorerst aufgehoben sei; die Gesundheitsdirektion stellte eine Lösung für Januar in Aussicht.
Jetzt geht es noch etwas länger. Denn Natalie Rickli, die Vorsteherin der Gesundheitsdirektion, liess ein externes Rechtsgutachten in Auftrag geben: Dieses soll die geplante kantonale Umsetzung des Bundesgesetzes überprüfen.
Zudem wird eine externe Stelle die Handhabung des Gesundheitsberufegesetzes durch das Amt für Gesundheit kontrollieren, «damit ähnliche Situationen in Zukunft vermieden werden können», so die Mitteilung des Kantons.

Weitermachen ohne BAB

Das nächste Stichdatum ist nun Anfang März: Dann will die GD über allfällige Änderungen bei der Umsetzung informieren. «In der Übergangsphase bis zu diesem Zeitpunkt besteht für angestellte Berufsangehörige der betroffenen Berufsgruppen ohne Leitungsfunktion kein Handlungsbedarf. Sie können in dieser Zeit auch ohne Berufsbewilligung ihre Tätigkeit weiterhin ausüben.»
Betroffen sind neben der Pflege respektive den Spitex-Organisationen auch die Physiotherapie, die Ergotherapie, die Hebammen, der Bereich Ernährung und Diätetik, die Optometrie sowie die Osteopathie.

Bürokratie ≠ Qualität

Der Spitex Verband Kanton Zürich begrüsst die Denkpause: «Die Beantragung einer Berufsausübungsbewilligung ist mit hohem administrativem und zeitlichem Aufwand für die Angestellten verbunden», heisst es in einem Mediencommuniqué. «Daneben fallen auch Kosten an, wobei alleine die Gebühr 800 Franken Kosten pro Person verursacht. Die Kosten – im Kanton Zürich in Millionenhöhe – würden letztlich zu Lasten der Steuer- und Prämienzahlenden gehen.»
Dabei bezweifle der Verband, dass flächendeckende BAB die Pflegequalität verbessern.
Zudem hätte die neue bürokratische Hürde die Versorgung der Bevölkerung bedroht, da die Spitex auch kurzfristig Pflegefachleute temporär anstellen muss – «was durch die Notwendigkeit einer Berufsausübungsbewilligung verhindert würde.»
Ähnlich argumentiert der Regionalverband Zürich-Glarus von Physioswiss: «Mit einer Berufsausübungsbewilligung für alle wird nichts gewonnen. Stattdessen führt sie zu einer überbordenden Bürokratie und unnötigen Kosten für eine Branche wie die unsrige, die eh schon unterfinanziert ist», schreibt der Physioswiss-Verband: Ob Gesundheitsfachpersonen über die nötigen Kompetenzen verfügen, liesse sich deutlich einfacher und effektiver überprüfen. «Aus diesem Grund erwartet der Regionalverband Zürich-Glarus eine pragmatische, versorgungsorientierte Umsetzung.»

Weitere Kosten

Effizient und pragmatisch? Einschätzen lässt sich dies etwa mit den verlangten Unterlagen (deren Beschaffung notabene nochmals staatliche Gebühren kostet). Die Liste der Zürcher Behörden umfasst unter anderem: Kopie von ID oder Pass; Diplome; amtlich beglaubigte Kopie weiterer akademischer Titel; Handlungsfähigkeitszeugnis; Strafregisterauszüge aus allen Ländern, in denen man in den letzten 5 Jahren wohnte; Sonderprivatauszug; Anstellungsbestätigung; alle Arbeitszeugnisse der vergangenen 5 Jahre; etc. Auch hier zeigen sich erhebliche Unterschiede – etwa wenn man es mit Obwalden vergleicht.
Im Hintergrund steht, dass der Bundesrat selber darauf verzichtete, den Begriff «Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung» auf Verordnungsstufe zu konkretisieren. Es sei die Aufgabe der kantonalen Behörden, «je nach spezifischen Gegebenheiten im Einzelfall zu prüfen, ob eine Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung vorliegt und die Gesundheitsfachperson somit über eine Bewilligung verfügen muss», teilte das BAG dazu mit.
  • Bürokratie
  • spitex
  • Physiotherapie
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Falsch verstanden? Spitex-Firma legt offen, wie sie Angehörige anstellt

Spitex-Firmen, die pflegende Angehörige anstellen, werden oft kritisiert. Weil einige Missverständnisse im Umlauf seien, sagt die Firmen-Chefin eines solchen Unternehmens.

image

BAB: Pflege-Berufsverband protestiert gegen Zürcher Kontroll-Pläne

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich fordert bei Spitex und Spitälern zusätzliche Papiere – mit Millionen-Mehrkosten für die Leistungserbringer.

image

Wie die BAB-Vorschriften die Versorgung erschweren

Ambulant statt stationär? Was politisch gewollt ist, wird amtlich verhindert – dazu ein neues Beispiel aus dem Aargau.

image

Bewilligungs-Wildwuchs: Physio-Firmen bereiten Klage vor

Die kantonalen Unterschiede bei der Berufsausübungs-Bewilligung in der Physiotherapie stossen auf Unmut. Jetzt soll geklärt werden: Welche Kantone gehen zu weit?

image

«Früher hatten wir vier oder fünf Bewerbungen pro Woche. Das ist vorbei.»

Ausbildung, Bürokratie, Arbeitszeit: In Zürich suchen die Chirurgen generationenübergreifend nach Verbesserungen. Wie genau? Ein Interview mit Federico Mazzola und Daniel Frey.

image

«Man kann ein sehr guter Arzt werden mit etwas weniger Präsenzzeit»

Im Kanton Zürich suchen die Chirurgen generationenübergreifend nach Verbesserungen für den Nachwuchs. Daniel Frey und Federico Mazzola erläutern Ziele und Projekte (Teil 2).

Vom gleichen Autor

image

KSSG: «Entlassungswelle ist ausgeschlossen»

Interims-CEO Simon Wildermuth will nach dem Abgang von Stefan Lichtensteiger die Wogen glätten. Für den VSAO fährt die St. Galler Kantonsspital-Gruppe allerdings noch auf stürmischer See.

image

Notfallpauschalen: Bundesrat kann nichts tun

Die Landesregierung sieht keine Möglichkeit, dass Bern kurzfristig eingreift. Allerdings wird sie im Tardoc-Verfahren speziell auf die Dringlichkeits-Entschädigungen achten.

image

Bericht: Zürcher Spitäler sollen mehrere Gross-Projekte verschieben

Die Kantonsregierung will Investitionen im Milliarden-Umfang auf Eis legen. USZ, KSW und PUK sind betroffen.