Kündigung von Nic Zerkiebel: «Entscheid nicht leichtfertig getroffen»

Die Freistellung von zwei Chefärzten sorgt bei Ärzten und Mitarbeitenden für Empörung. Dabei wird auch der Ton zwischen Mediziner und Spitaladministration rauer.

, 22. September 2020 um 08:05
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Mit «grosser Sorge» beobachtet die Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) die «zunehmend ruppigere Gangart» der «vom Kerngeschäft abgekoppelten Spitaladministration.» In einer Stellungnahme kritisiert die grösste medizinische Fachgesellschaft gemeinsam mit dem Verein der internistischen Chef- und Kaderärzte die Freistellung der beiden Chefärzte Nic Zerkiebel (Bülach) und Esther Bächli (Uster).
Vor allem die «Art und Weise» bei der Freistellung von Nic Zerkiebel in Bülach sorge für Unverständnis und Empörung: «Das Bild eines unbescholtenen Chefarztes, der von zwei Security-Mitarbeiter in einem Überraschungscoup vom Arbeitsplatz aus dem Spital sekundiert wird, hinterlässt Ohnmacht, Wut und Misstrauen», steht in der Mitteilung zu lesen. 

Spitaldirektor beschäftigt die Situation sehr

In der Stellungnahme wird auch die Frage nach der «Vorbildfunktion» von Spitaldirektor Rolf Gilgen aufgeworfen, der gleichzeitig Präsident der Vereinigung der Spitaldirektoren der Schweiz (SVS) sei: «Mit dieser Position geht die Erwartung einer speziellen Vorbildfunktion einher.» Diese sei in «eklatanter Weise» verletzt worden. Gilgen kann die Stellungnahme nicht kommentieren, da die darin aufgestellten Behauptungen nichts mit dem aktuellen Fall zu tun haben, wie er gegenüber Medinside sagt.
Ein grosser Teil der Mitarbeitenden ist empört und fassungslos über die Nachricht von der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Chefarzt, wie zahlreiche offene Briefe, Solidaritäts- und auch Protestbekundungen bezeugen. Gilgen kann die Verärgerung beim Personal nachvollziehen, denn Nic Zerkiebel habe in den letzten fünf Jahren sehr gute Arbeit für das Spital Bülach geleistet und sei im Haus sehr beliebt. Gilgen versichert gleichzeitig, dass auch ihn die gegenwärtige Situation «sehr beschäftigt». Er ist aber auch der festen Überzeugung, den gemeinsam mit dem Verwaltungsrat gefällten Entscheid nicht leichtfertig getroffen zu haben.

So schätzt Willy Oggier die Situation ein

In der Stellungnahme der grössten medizinischen Fachgesellschaft geht es auch um das vielfach diskutierte Verhältnis zwischen Ökonomie und Medizin: Die «Machtdemonstrationen von Spitaldirektionen» wie im Fall Bächli und Zerkiebel hinterlasse nur Verlierer und vertiefe den immer grösser werdenden Graben zwischen Kerngeschäft und Administration weiter, schreiben die Verfasser.
Gesundheitsökonom Will Oggier hält grundsätzlich nichts davon, Chefärzte gegen CEOs auszuspielen, wie er gegenüber Medinside erklärt. Ärzte in Führungsfunktionen sollten über entsprechende Management-Ausbildungen verfügen, bei CEOs ist es sicher hilfreich, wenn sie etwas vom Kerngeschäft wie Medizin, Pflege oder Therapien verstehen. Die Anzahl solcher CEOs sei im Steigen begriffen. Er nennt etwa Rolf Zehnder vom Kantonsspital Winterthur (KSW), Serge Reichlin, der neue Barmelweid-CEO, oder Andreas Greulich vom Spital Uster. Auch viele Mediziner verfügen über betriebswirtschaftliche Abschlüsse, sowohl Esther Bächli als auch Nic Zerkiebel.

Ökonomie oder Medizin? Es gibt auch andere Gründe

Ob die beiden Fälle Zerkiebel und Bächli schliesslich wirklich miteinander vergleichbar sind, wäre für Oggier nur dann überprüfbar, wenn die wirklichen Gründe für die entsprechenden Kündigungen öffentlich zugänglich wären. Geschäftsleitung, Verwaltungsrat und Nic Zerkiebel haben aber wie oft in solchen Fällen Stillschweigen über die Gründe der Kündigung vereinbart. Das lässt anderseits auch viel Raum für Spekulationen und verunmöglicht eine Interpretation der Ereignisse.
Das implizit zum Ausdruck kommende «Ökonomen-Bashing» der SGAIM ist für den bekannten Gesundheitsökonomen aber unzutreffend. Auch deshalb, weil Rolf Gilgen Rechtswissenschaften studiert habe und danach journalistisch tätig gewesen sei, also gar kein Ökonom sei. Und nebst der Diskussion um die Aus- und Weiterbildungen könne es auch sein, dass gewisse Menschen schlicht nicht miteinander kompatibel seien, sagt Oggier weiter. Dies könne in Krisensituationen wie zur Zeit mit der Covid-19-Pandemie stärker zum Vorschein kommen. «In einer solchen Situation ist es wahrscheinlich, dass die ranghöhere Person bleibt und die andere gehen muss.»
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