Nachdem sich weder Ärzte noch Spitäler und Krankenversicherer auf eine Revision des ambulanten Tarifs (Tarmed) einigen konnten, legte Gesundheitsminister Alain Berset ein Modell vor, das zu jährlichen Einsparungen von 700 Millionen Franken führen würde.
Kurz vor Ablauf der Vernehmlassungsfrist nahm die Ärztevereinigung FMH an einer Medienkonferenz in Bern
Stellung zu den Vorschlägen des Bundesrats.
Sie werden «klar und entschieden» abgelehnt. Die drastische Reduktion der Tarife in der ambulanten Medizin führe zu einer Verlagerung in den Spitalsektor mit entsprechenden Kostensteigerungen. Der Bundesrat höhle damit sein eigenes Prinzip «ambulant vor stationär» aus, so die FMH.
Schwächung der ambulanten Medizin
Nach Meinung der FMH trifft die Limitierung der Konsultationen oder Abklärungen ausserhalb der eigentlichen Konsultation die schwächsten Patienten wie Kinder, Menschen mit Demenz oder psychisch Kranke am stärksten.
Die Einschnitte des Bundesrats zielten einzig und allein auf Kostensenkung ab und schwächten die ambulante Medizin beträchtlich. Zudem sei es generell nicht zielführend, wenn der Bundesrat einseitig einschreite und unsachgemässe Umverteilungsübungen durchziehe, sagte FMH-Präsident Jürg Schlup an der Medienkonferenz vom Dienstagmorgen.
Jeder Eingriff des Bundesrats torpediere die Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern. Die Krankenkassen hätten dann kein Interesse mehr, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Gesamtrevision des Tarmed
Die FMH schlägt stattdessen eine Gesamtrevision des Tarmed vor, welcher die vom Gesetzgeber vorgesehene «Sachgerechtigkeit und Betriebswirtschaftlichkeit» enthalte.
Dazu hat sie ein internes Projekt lanciert, dessen Ziel es ist, zusammen mit den Tarifpartnern einen gemeinsamen Vorschlag auszuarbeiten. Die internen Arbeiten dauern bis Ende 2017. Die Verhandlungen mit den Tarifpartnern sollten 2018 beginnen. Ziel ist es, den Vorschlag bis Mitte 2018 dem Bundesrat vorzulegen.
Urs Stoffel, Mitglied des FMH-Zentralvorstandes.
Das sagt Urs Stoffel zur 13er-Liste
«Bundesrat gefährdet ambulante Medizin». Der Titel zur Medienorientierung der FMH in Bern suggeriert, Ärztinnen und Ärzte würden sich für ambulante Eingriffe besonders stark machen. Die Beobachtung ist eine andere. Keine Interessengemeinschaft bekämpft die 13er-Liste der Kantone so vehement wie die Ärzte; zum Teil mit juristischen Argumenten.
Bekanntlich wollen Kantone wie Zürich und Luzern, dass bestimmte Eingriffe nur noch ambulant durchgeführt werden dürfen. Ausnahmen müssten begründet werden. Urs Stoffel, Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, bekämpft die Liste aus medizinischen Gründen, wie er versichert. Das Paradigma «Ambulant vor Stationär» werde nicht in Frage gestellt.
Stofffel nennt das Beispiel der Tonsillektomie, die ebenfalls auf der 13er-Liste steht. Mandeloperationen bergen stets das Risiko von Nachblutungen. «Das ist hochgefährlich», sagt der Chirurg Urs Stoffel. Das müsse man überwachen können.
Falsche Anreize
Nun ist es halt so, dass Spitäler und Ärzte mitunter auch ein monetäres Interesse daran haben, Patienten stationär statt ambulant zu behandeln. Nicht alle sind sie karitativ unterwegs. Auch darauf hat Urs Stoffel eine Antwort. Der DRG, wie er bei stationären Behandlungen angewendet wird, bilde die Kosten besser ab als der Tarmed. Würden auch die Tarife im ambulanten Bereich die Kosten decken, bestünde dieser Fehlanreiz nicht mehr, so der Zürcher Chirurg.
Wie aber bei einer besseren Abgeltung der ambulanten Eingriffe die Kosten insgesamt gesenkt werden sollen, wie das angeblich auch die FMH will, bliebt ein Geheimnis, das zumindest an der Medienkonferenz im Käfigturm der Stadt Bern nicht gelüftet werden konnte.