Wechsel auf Generika nicht immer sinnvoll

Eine neue Studie zeigt: Menschen mit einer chronisch neurologischen Erkrankung riskieren bei jedem Medikamenten-Wechsel neue Anfälle – auch mit identischem Wirkstoff.

, 26. Februar 2019 um 08:40
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Der Umstieg auf Generika hilft zwar, die Gesundheitskosten zu dämpfen. Doch das trifft nicht in jedem Fall zu: Wenn Epilepsie-Patienten nämlich ein neues Medikament verschrieben bekommen, riskieren diese bei jedem Wechsel neue Anfälle.
Dabei sei es egal, ob jemand vom Originalpräparat auf ein Generikum umsteigt, umgekehrt zum Original wechselt oder ein anderes Generikum nimmt. Zu diesem Schluss kommt eine mit dem Alfred-Hauptmann-Preis ausgezeichnete Studie. 

Risiko steigt um mehr als 30 Prozent

Laut der Analyse anhand von 3'500 Betroffenen erhöht jede Änderung das relative Risiko eines neuen Anfalls um mehr als 30 Prozent – selbst bei gleicher Rezeptur. Besonders gefährdet seien ältere Menschen, die inzwischen die Mehrheit aller Epilepsie-Betroffenen ausmachen. 
«Wir sehen uns damit in unseren bisherigen Aussagen bestätigt», sagt Prof. Dr. Stephan Rüegg, Präsident der Schweizerischen Epilepsie-Liga.  Die Fachorganisation hatte bereits 2012 ein Statement zum Thema veröffentlicht.
Johannes D. Lang, Karel Kostev, Hajo M. Hamer et al. «Switching the manufacturer of antiepileptic drugs is associated with higher risk of seizures: A nationwide study of prescription data in Germany.», in: «Annals of Neurology» 2018;84:918–925.
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Prof. Dr. Stephan Rüegg, Präsident der Schweizerischen Epilepsie-Liga. | PD

Generika bei Erstverschreibung sinnvoll

«Wir sind nicht gegen Generika», stellt der Epilepsie-Liga-Präsident klar. «Bei der erstmaligen Verschreibung eines Medikaments ist es sinnvoll, das günstigste passende Angebot zu wählen.» Sei ein Patient aber einmal gut eingestellt, das heisst anfallsfrei bei guter Verträglichkeit, gelte das Motto «Never change a winning team».
«Wir appellieren an Gesundheitspolitiker, Neurologen, Neuropädiater und Apotheker, in der Behandlung von Epilepsie unnötige Medikamentenwechsel zu vermeiden», sagt Rüegg weiter. Bedenke man die möglichen Folgekosten neuer Anfälle, fahre unser Gesundheitssystem günstiger, wenn es in der Behandlung von Epilepsie auf finanzielle Anreize zum Umstieg verzichte.

Referenzpreissystem kontraproduktiv

Gesundheitsminister Alain Berset will für patentabgelaufene Medikamente nur noch einen sogenannten Referenzpreis vergüten, um die Abgabe von Generika zu fördern. «Für Epilepsiebetroffene wäre das Referenzpreissystem kontraproduktiv», stellt Rüegg klar.

Zwei Drittel dank Medikamenten anfallsfrei

In der Schweiz sind rund 70‘000 bis 80‘000 Menschen von Epilepsie betroffen. Epilepsie ist die häufigste chronische neurologische Erkrankung. Rund zwei Drittel der Betroffenen sind dank Medikamenten anfallsfrei. Epileptische Anfälle können erhebliche Auswirkungen im Alltag haben, wie Verletzungen, den Verlust der Fahrerlaubnis oder Schwierigkeiten im Berufsleben.
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