Sind Gruppenpraxen gar nicht so effizient? Letzten Monat nahm der Kassenverband Santésuisse die Ärztezentren aufs Korn. In der
«NZZ am Sonntag» (Print) verwies Direktorin Verena Nold auf den Kostenanstieg im Praxisbereich: Er erreichte letztes Jahr 5,9 Prozent – was mehr war als das Plus im ambulanten Spitalbereich.
Santésuisse überprüfte daraufhin die Zahlen en detail und kam zum Schluss, dass die Ärztezentren hier einen wichtigen Faktor bildeten: «Wir mussten feststellen, dass auch die Gruppenpraxen ein starker Kostentreiber sind», sagte Nold in der NZZaS.
Kritik an dieser Darstellung äussert nun Felix Huber, der medizinische Leiter des Ärztenetzwerkes Medix. Ein genauer Blick auf die Zahlen zeige, dass die Gruppenpraxen günstiger arbeiten als durchschnittliche Grundversorger und als Einzelpraxen – so Huber in einem auf dem hauseigenen
Medix-Blog und Youtube veröffentlichten Interview.
Die Zahlen der Santésuisse seien eine Mischung von Werten, die man so nicht vergleichen könne. Unter dem Begriff «Gruppenpraxis» habe die Santésuisse alles eingepackt, wo Ärzte gemeinsam eine Praxis betreiben – darunter eben auch Praxen von Spezialisten und andere Gemeinschaftspraxen mit hohen Kosten.
«15 bis 20 Prozent weniger Kosten»
Die eigenen Zahlen zeigten, dass man bei Medix wesentlich günstiger arbeite – «wir sparen übers Ganze gesehen 15 bis 20 Prozent der Kosten ein». Dies weil man in den Gruppenpraxen durchaus versuche, das zu machen, was wirklich nötig ist – aber keine Doppelspurigkeiten und keine unnötigen Therapien.
Wichtig sei einfach, dass der Hausarzt die Behandlungen gut koordiniere und die Patienten durch die Schritte begleite.
Die Santésuisse-Daten hatten zuvor besagt, dass die Behandlungskosten pro Patient in den Gemeinschaftspraxen deutlich höher sind als bei Einzelpraxen. Am höchsten fielen sie dort aus, wo neben Allgemeinpraktikern auch noch Spezialisten anderer Fachrichtungen in der Gruppenpraxis tätig sind.
Investoren versus Prämienzahler?
Bei allen Gruppenpraxen zusammen stiegen die Behandlungskosten zwischen 2014 und 2015 um satte 22,8 Prozent, erfuhr die «NZZ am Sonntag».
Die Interpretation von Verena Nold: Gruppenpraxen neigten dazu, ihre Kosten zu optimieren – und es kommt dabei wohl zu Mengenausweitungen. «Und die Gewinne gehen dann an die Investoren und kommen nicht den Prämienzahlern zugute», so die Santésuisse-Direktorin.
Man kann die in der Sonntagspresse lancierte Aussage als frühe Warnung sehen: Gruppenpraxen schienen bislang unproblematisch – unterm Siegel HMO-Praxis galten sie ja geradezu auch als Sparmodell in der Grundversicherung. Auf der anderen Seite bilden sie ein Investitionsfeld, das derzeit sehr aktiv beackert wird. In den nächsten fünf Jahren dürften schweizweit mehr als 100 weitere Gruppenpraxen ihre Tore öffnen – was auch einer Investitionssumme von mehreren hundert Millionen Franken entspricht.