Natürlich sind solche Klagen in den USA gängig. Und natürlich klingt der Tonfall der Anklageschrift immer aggressiv und einschüchternd. So sind auch die Vorwürfe zu lesen, die sich nun gegen Hansjörg Wyss richten und die von einem Gericht im US-Bundesstaat Washington angenommen wurden. Dem Schweizer Medtech-Unternehmer und Mäzen wird in einer Zivilklage «murder in the second degree as a class A felony» vorgeworfen – was in unseren Rechtsbegriffen etwa vorsätzlicher Tötung entsprechen würde.
Zu beachten ist dabei, dass es sich um eine zivilrechtliche Klage handelt – nicht um einen strafrechtlichen Vorgang. Aufgerollt wird das Verfahren von den Nachkommen einer Frau, welche durch die Anwendung von Synthes-Produkten zu Schaden gekommen sein soll. Konkret ging es um klinische Tests, welche Wyss’ Medizinaltechnikfirma Synthes in den USA durchführte, ohne die nötige FDA-Bewilligung erlangt zu haben (mehr dazu
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Millionenbusse und Gefängnisstrafen
Beim probeweisen Einsatz eines Knochenzements namens Norian XR könnten mehrere Patienten gestorben sein, darunter Reba Golden, die im August 2007 starb, im Alter von 67 Jahren; sie war zuvor mit dem neuen Wirkstoff behandelt worden.
Im Oktober 2010
bekannte sich die Synthes schuldig, den Zement illegal verwendet zu haben; die Medtech-Firma bezahlte in der Folge eine Busse von 23 Millionen Dollar (und wurde wenige Monate später von Johnson & Johnson geschluckt, wobei Gründer und Mehrheitsaktionär Wyss rund 20 Milliarden Franken erhielt).
«Leiter einer kriminellen Unternehmung»
Die nun zugelassene Klage wurde angestrengt von Reba Goldens Tochter; sie wurde publik gemacht von
«The Daily Caller», einer konservativen Polit-Newssite. Der Klägerin geht es offenbar darum, Hansjörg Wyss zu einer Genugtuungszahlung zu zwingen. Für diverse Verstösse, so die Forderung, soll der Schweizer Unternehmer rund 9,2 Millionen Dollar bezahlen. Mit angeklagt ist auch der Chirurg, der Reba Golden in Seattle behandelt hatte.
«Mr. Hansjoerg Wyss war der kontrollierende Aktionär und höchste Direktor von Synthes und Norian Corporation und der Leiter einer kriminellen Unternehmung», so die Anwälte der Hinterbliebenen in ihrer Klageschrift. «Die kriminelle Unternehmung engagierte sich, zu ihrem Gewinn, in einem Muster von Aktivitäten zum kriminellen Profit.»
Wie gesagt: Vorwürfe und Zivilklagen dieser Art gehören zum amerikanischen Business-Alltag. Zum öffentlichen Thema könnte die Sache in den USA aber werden, weil Hansjörg Wyss mittlerweile bekannt ist als wichtiger Spender für den Wahlkampf von Hillary Clinton.
«Clinton Donor Faces Lawsuit»
Der Schweizer mit Wohnsitz in Pennsylvania ist eben nicht nur in der Schweiz als Polit- und Wissenschafts-Mäzen aktiv, sondern er überwies auch der Clinton Foundation laut Schätzungen bislang über 5 Millionen Dollar. Die News-Site «Washington Free Beacon» meldete die Klage denn auch unter dem Titel
«Clinton Donor Faces Lawsuit in Deadly ‘Human Experimentation’ Case».