Antibiotika-Resistenz ist die Fähigkeit von infektiösen Mikroorganismen, antimikrobielle Medikamente zu überleben. Einige Experten erachten dies als
langsam anrollendes Desaster. Laut einem jüngst veröffentlichten
Bericht über die Antibiotika-Resistenz im Auftrag der britischen Regierung werden bis 2050 wegen resistenten Infektionen gegen 10 Millionen Menschenleben pro Jahr bedroht sein.
Beispiele von resistenten «Superbugs» sind der
MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), die extrem resistente Tuberkulose, Gonorrhoe, Typhus und A-Streptokokken.
Der Autor
Der Ethiker Alberto Giubilini ist Postdoctoral Research Fellow an der Oxford University. Er forscht und lehrt insbesondere im Bereich der Medizin- und Bioethik. Veröffentlichung u.a.: La morale al tempo della bioetica. Senso e valore dell’autonomia di scelta (Le Lettere, Florenz 2011).
Obwohl die Evolution von resistenten Strängen ein natürliches Phänomen ist, wird die Antibiotika-Resistenz durch den Ge- und Missbrauch von gängigen Antibiotika beschleunigt – im Gesundheitswesen wie in der Landwirtschaft und dabei insbesondere der Tierhaltung. Die Mikroben passen sich jeweils an. Tatsächlich wurde eine
positive Korrelation zwischen Antibiotika-Resistanz-Raten und Antibiotika-Verbrauch nachgewiesen.
Einfach gesagt: Es ist der Mensch, der die Antibiotika-Resistenz antreibt. Die amerikanischen
Centers for Disease Control stellten fest, dass «die wichtigste einzelne Handlung, welche die Entwicklung und Ausbreitung von antibiotika-resistenten Infektionen verlangsamen könnte, die Art wäre, wie Antibiotika verwendet werden».
Die Mikroben reisen mit
Um die Antibiotika-Resistenz zu bremsen, müssen wir also den Verbrauch von Antibiotika senken. Ein
britischer Regierungs-Bericht kam unlängst zum Schluss, dass diese Resistenz «ein Problem ist, das nicht in einem einzelnen Land gelöst werden kann, auch nicht in einer Region. Wir leben in einer miteinander verbundenen Welt, um die Menschen, Tiere und Nahrungsmittel reisen, und die Mikroben reisen mit. Daher ist eine globale Aktion entscheidend, um langfristig einen sinnvollen Fortschritt zu erreichen.»
Jeder einzelne hat die Verantwortung, zum Abbau der Antibiotika-Resistenz beizutragen, indem er weniger Antibiotika verschreibt oder verwendet. Die Staaten haben die Verantwortung, die öffentliche Gesundheit zu schützen, und zwar notfalls durch Massnahmen, welche gewisse Verwendungsmöglichkeiten von Antibiotika verbieten, oder indem sie Zugangshürden einbauen.
Die Verantwortung der Ärzte
Den Ärzten obliegt die professionelle Verantwortung, Antibiotika nur bei strikter Notwendigkeit zu verschreiben. Doch oft vermuten sie lediglich, dass eine Infektion vorhanden sein könnte, und verschreiben aufgrund dieser Einschätzung Antibiotika. Daraus erfolgen dann unsachgemässe Verwendungen und Missbräuche der Mittel durch die Patienten. In den
USA erhalten 40 Millionen Menschen pro Jahr Antibiotika wegen Atemwegs-Erkrankungen, aber nur 27 Millionen davon benötigen sie tatsächlich.
Der Bericht schlägt vor, dass die Ärzte durch neue, schnelle Diagnose-Test unterstützt werden sollten: Diese würden es dem Mediziner zeigen, ob eine Infektion viral oder bakteriell ist und ob ein Patient wirklich Antibiotika benötigt. Die Tests würden also jene Diagnosen ersetzen, die auf den Intuitionen und der Expertise der Ärzte bauen. Es wurde bereits nachgewiesen, dass das Risiko des
Antibiotika-Fehleinsatzes sinkt, wenn Schnelltests vorhanden sind.
Sobald die Ärzte einmal diese Grundlage haben, haben sie die professionelle Pflicht, Antibiotika nur noch auf der Basis von klaren Daten zu verschreiben. Der Staat wiederum könnte vorschreiben, dass Antibiotika nur noch eingesetzt werden dürfen, wenn die Notwendigkeit durch eine präzise Diagnose per Schnelltest nachgewiesen wurde.
Was Patienten tun können
Auch die Patienten haben eine moralische Verantwortung, zum Abbau der Resistenz beizutragen – indem sie weniger Antibiotika verwenden. Es gibt
Schätzungen, wonach in gewissen Teilen von Ost- und Südeuropa bis zu 30 Prozent der Antibiotika auf dem OTX-Weg verkauft werden, also ohne Rezept. Es ist unwahrscheinlich, dass viele dieser Mittel medizinisch indiziert sind.
Ein moralischer Grund für die Senkung des Antibiotika-Verbrauchs ist altruistisch: Die Moral verlangt, dass wir das tun, was anderen nützt oder Schaden von ihnen abwendet, zumindest solange uns das nicht viel kostet – die «Pflicht zur leichten Hilfeleistung», wie es der Ethiker
Julian Savulescu nennt.
Die Individuen haben also ebenfalls eine moralische Verpflichtung, auf Antibiotika zu verzichten, es sei denn, diese seien strikt notwendig. Denn dieser Verzicht schafft einen kollektiven Nutzen, ohne dass dem Einzelnen signifikante Einbussen entstehen.
Ein weiterer moralischer Grund, weshalb jeder einzelne zum Abbau der Antibiotika-Resistenz beitragen muss, liegt darin, dass der entstehende Nutzen – etwa bei der Verbesserung der öffentlichen Gesundheit – ein öffentliches Gut ist. Einfach gesagt: Jeder profitiert von wirksamen Antibiotika. Und so verlangt es die Fairness, dass jeder zur Reduktion der Antibiotika-Resistenz beiträgt.
Die Rolle des Staates
Wenn Menschen diese moralischen Verpflichtungen nicht freiwillig erfüllen, wird der Staat eingreifen müssen – um sicherzustellen, dass Antibiotika nicht missbraucht werden.
Der rezeptfreie Verkauf von Antibiotika ist in den meisten Ländern verboten, aber diese Vorschriften werden nur begrenzt durchgesetzt, und oft verkaufen Apotheker Antibiotika ohne Verschreibung. Den Staaten obliegt es also, strengere Kontrollen zu entwickeln. Andernfalls bestünde auch die Möglichkeit der Besteuerung von Antibiotika, die ohne Rezept verkauft werden – so dass diese erheblich teurer werden –, aber auch, die Steuern für Antibiotika mit Rezept zu erhöhen.
Wer Antibiotika falsch einsetzt, denkt selten an die Kosten. Aber es ist wichtig, dass sich alle der ernsthaften Folgen ihrer Wahl bewusst werden, auch der Immoralität des Missbrauchs von Antibiotika.
Unnötige Antibiotika mögen den Verwendern einen kleinen Nutzen bringen (oft ist nicht einmal dies der Fall), aber sie sind ein Risiko für die Gemeinschaft und auch für künftige Generationen. Denn diese dürften es mit einer steigenden Zahl von Infektionen zu tun bekommen, die nicht efffizient behandelt werden können.