Die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach bei Behandlungen in der Privatabteilung eines Spitals die Vergütung der Leistungen nach dem KVG geschuldet ist und zusätzlich für die ärztliche Behandlung noch eine über dem OKP-Tarif liegende Vergütung in Rechnung gestellt werden darf, stützt sich auf die ursprüngliche Fassung des KVG von 1994.
Es ist damit zu rechnen, dass diese Rechtsprechung nach der Neuordnung der Spitalfinanzierung nicht mehr massgebend ist. Die seit 1.1.2012 geltenden Fallpauschalen umfassen nämlich sämtliche Kosten der stationären Behandlung einschliesslich der ärztlichen Behandlung.
Unbestritten ist, dass zusätzliche Leistungen noch zusätzlich in Rechnung gestellt werden dürfen. Dazu zählen neben den Aufenthaltskosten, welche über dem Standard der allgemeinen Abteilung liegen, auch die freie Wahl des behandelnden Arztes. Diese ist eine organisatorische Zusatzleistung des Spitals. Es nimmt bei seinen Einsatzplänen bezüglich des behandelnden Arztes und allenfalls auch bezüglich des Zeitpunktes der Behandlung auf die Wünsche der Versicherten Rücksicht. Die ärztliche Behandlung als solche ist durch die OKP-Pauschale bereits vollständig abgegolten. Das Spital stellt als Leistungserbringer seine Zusatzleistungen in Rechnung.
Patienten und Patientinnen, welche sich in so genannten Privatabteilungen eines Spitals aufhalten, sind also keine Privatpatienten, welchen für Leistungen der OKP noch ein zusätzliches ärztliches Honorar in Rechnung gestellt werden kann. Der Grundsatz des Tarifschutzes schliesst solche Zusatzrechnungen aus.
Ob ein Spital Ärzten und Arztinnen einen Bonus entrichtet, weil sich Versicherte ihretwegen im betreffenden Spital behandeln liessen, ist Gegenstand der Arbeitsverträge. Solche Bonus-Regelungen werden neuerdings allerdings stark kritisiert.
Zusatzversicherte sind kein tarifliches Freiwild zur Sanierung der Spitalfinanzen. Das für Zusatzversicherungen massgebende Aufsichtsgesetz nennt denn auch den «Schutz der Versicherten vor Missbräuchen» als einen seiner Zwecke.
Die Tarife der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind bzw. sollten ohnehin so bemessen sein, dass gut geführte Spitäler ihren Investitionsbedarf finanzieren können. Dieses Ziel wird bei der heute postulierten, willkürlichen Praxis (z.B. die Orientierung am 25. Perzentil) auf jeden Fall verfehlt.
- Dr. iur. Markus Moser, Juristischer Berater im Gesundheitswesen
- Dr. rer. pol. Heinz Locher, Gesundheitsökonom