Swissmedic: «Diese Hilfsstoffe sind kein Risiko für den Menschen»

Deutsche Skeptiker bezeichnen die Hilfsstoffe ALC-0159 und ALC-0315 in der Pfizer-Impfung als «illegal» und «gefährlich». Während die EMA Fragezeichen setzt, gibt Swissmedic Entwarnung: Der Mediensprecher Lukas Jaggi im Interview.

, 20. Januar 2022 um 06:30
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Lukas Jaggi, Mediensprecher des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic. (zvg)

Der Impfstoff von Pfizer/Biontech Cormirnaty enthält die beiden Hilfsstoffe ALC-0159 und ALC-0315. Diese Substanzen sind ein Teil der Nano-Lipide im Pfizer-Impfstoff und sollen laut Beate Bahner, deutsche Fachanwältin für Medizinrecht, «gefährlich» sein.

Die Substanzen ALC-0159 und ALC-0315 werden mit anderen Lipiden – darunter die beiden seit längerem in Arzneimitteln verwendeten Lipide Cholesterol* und DSPC* – so verarbeitet, dass sie sich zu Lipid-Nanopartikeln zusammenlagern. Dabei handelt es sich um sehr labile Fetttröpfchen, die im Körper schnell zerfallen.

Was geschieht nach deren Zerfall? Werden die Bestandteile vom Körper ausgeschieden, oder besteht die Möglichkeit, dass sie sich einlagern? 

Es ist davon auszugehen, dass diese Fettkügelchen der mRNA-Impfstoffe im Körper ähnlich wie mit der Nahrung aufgenommene Fette behandelt werden. Das bedeutet, dass sie in ihre Bestandteile zerlegt, verarbeitet und durch entsprechende Enzyme abgebaut und innerhalb weniger Tage ausgeschieden werden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie sich über längere Zeit in Geweben oder Organen ansammeln.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hält in ihren Berichten von Februar und Oktober 2021 fest, dass «Comirnaty» mit diesen Hilfsstoffen verunreinigt (Lipid-related impurities) ist. Der Hersteller erhielt daraufhin Sonderauflagen, die er bis dato nicht erfüllt hat. Was sagt Swissmedic dazu? 

Zu ausländischen Evaluationsberichten können wir uns nicht konkret äussern. Allgemein gilt es bezüglich angeblicher Verunreinigungen festzuhalten, dass diese beiden im Impfstoff Comirnaty enthaltenen Hilfsstoffe für die Wirkungsweise des Arzneimittels essentiell sind. Es handelt sich dabei keineswegs um Verunreinigungen!

Diese beiden Hilfsstoffe können aber geringe Mengen an Verunreinigungen enthalten.

Ja, wie alle anderen Hilfsstoffe auch – auch solche, die in der Pharmakopöe monographiert sind. Jede Charge des Hilfsstoffes muss vor der Verarbeitung geprüft werden. Wichtig ist, dass mögliche Verunreinigungen bekannt sind, dass gute Prüfmethoden etabliert und die Mengen der Verunreinigungen durch die festgelegten Spezifikationen klar begrenzt sind. Diese möglichen Verunreinigungen in den Hilfsstoffen stellen nach unserer Beurteilung kein Risiko für den Menschen dar.

Auf welcher Grundlage basiert diese Beurteilung?

Aufgrund der im Zulassungsverfahren vorgelegten und geprüften Daten kommt Swissmedic zum Schluss, dass die neuen Hilfsstoffe und die möglicherweise darin in Spuren enthaltenen Verunreinigungen in den in Comirnaty verwendeten Mengen kein Risiko für den Menschen darstellen.

«Die beiden Hilfsstoffe ALC-0159 und ALC-0315 sind nicht in der Pharmakopöe enthalten.»

Swissmedic

Diese Hilfsstoffe sind weder im deutschen noch im europäischen Arzneibuch enthalten. Sind sie Bestandteil der Pharmakopöe?

Nein, die beiden Hilfsstoffe ALC-0159 und ALC-0315 sind in der Pharmakopöe, diese besteht in der Schweiz übrigens aus der Europäischen Pharmakopöe und den ergänzenden Vorschriften in der Schweizerischen Pharmakopöe, nicht enthalten.

Gehören solche Hilfsstoffe überhaupt in die Pharmakopöe, beziehungsweise werden diese noch aufgenommen?

Eine Monographierung von Hilfsstoffen ist grundsätzlich möglich. Voraussetzung ist, dass die Hilfsstoffe in einem zugelassenen Arzneimittel enthalten sind und die für die arzneimittelbezogene Verwendung erforderliche Qualität entsprechend definiert worden ist. Die Monographierung erfolgt zudem nur auf konkreten Antrag. 
In der Praxis ist es so, dass derartige Anträge erst gestellt werden, wenn die betreffenden Stoffe einen gewissen Verbreitungsgrad aufweisen – wenn sich also ein allgemeines Interesse entwickelt hat. Für beide erwähnten Stoffe erfolgte bisher kein derartiger Antrag.

Wer ist dazu befugt, solche Anträge zu stellen?

Dies steht allen Nutzern der Pharmakopöe offen – also allen, die mit dem Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu tun haben. Dies können die Inverkehrbringer selbst sein, zum Beispiel die Zulassungsinhaberinnen oder die Herstellerfirmen, aber auch Organisationen, die das Inverkehrbringen beziehungsweise den Markt überwachen wie Zulassungsbehörden, Inspektionsbehörden, Marktüberwachungsbehörden oder Labors.

Der Pfizer-Impfstoff Comirnaty ist befristet zugelassen. Sind diese «gefährlichen» Bestandteile bei der neuen Bewertung durch Swissmedic Teil der Untersuchung?

Alle Substanzen, die in einem Arzneimittel verwendet werden, werden gründlich auf ihre Eignung geprüft. Nur wenn sie als sicher beurteilt werden, können sie in der Zusammensetzung eines Medikaments oder Impfstoffs für den menschlichen Gebrauch akzeptiert und zugelassen werden. ALC-0315 und ALC-0159 sind Bestandteil vom Impfstoff Comirnaty und sind nach aktuellen Wissensstand sicher. Beide Hilfsstoffe sind für die genehmigte Indikation sowie in der im Präparat enthaltenen Menge zugelassen.

Sprich: Deren Sicherheit wird Swissmedic nicht neu beurteilen – auch unter dem Aspekt der offenen EMA-Fragen nicht ?

Im Moment gibt es international keine Sicherheitssignale zu diesen Hilfsstoffen. Das Sicherheitsprofil von Comirnaty wird durch Erkenntnisse aus den fortlaufenden klinischen Versuchen und der Marktüberwachung bei der Anwendung an Millionen geimpfter Personen laufend vervollständigt und bisher bestätigt. 
Sofern Erkenntnisse über Sicherheitsprobleme auftauchen, fordern die Zulassungsbehörden neue Daten ein und treffen falls nötig korrigierende Massnahmen. Die Beurteilung der Sicherheit von Arzneimitteln ist kein abgeschlossener Prozess, sondern erfolgt über den gesamten Lebenszyklus. Entsprechend wird die Sicherheit eines Präparats kontinuierlich neu beurteilt.
Dieses Interview bezieht sich auf den Artikel: Covid-19: Nano-Lipide als heikler Punkt der Pfizer-Impfung

*Cholesterol und *DSPC 

Die beiden Lipide werden, wie Lukas Jaggi im Interview erklärt, schon seit längerem in Arzneimitteln verwendet. 
Cholesterol zum Beispiel in den Medikamenten 
  • Angeliq (Hormonersatztherapie bei Östrogenmangel, Osteoporoseprophylaxe etc.) oder 
  • Shingrix (Prävention von Herpes Zoster).
DSPC findet Verwendung in den Arzneimitteln
  • Xultophy (in Kombination mit blutzuckersenkenden Arzneimitteln zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend kontrolliertem Typ 2 Diabetes mellitus) oder
  • APO-go (Parkinson-Patienten mit motorischen Fluktuationen).
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Printscreen swissmedicinfo.ch
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