Rund 50 Krankenkassen warfen einer Ärztin im Kanton Freiburg vor, zu hohe Leistungen verrechnet zu haben. Laut den Kassenstatistiken verrechnete die Allgemeinpraktikerin 2005 durchschnittlich 1'670 Franken pro Patient – vergleichbare Mediziner in der Gegend kamen auf 950 Franken. Macht ein Plus von gut 75 Prozent.
Die Neigung zu überdurchschnittlich hohen Abrechnungen hielt auch in den Folgejahren an. Unter Führung des Verbands Santésuisse forderten rund 50 Krankenkassen jetzt die Rückzahlung der Gelder, welche die Ärztin zwischen 2005 und 2008 zu viel einkassiert.
Nun hat das
Freiburger Schiedsgericht in Sachen Krankenversicherung dazu entschieden. Wie die
«Berner Zeitung» erfuhr, sah es das Gericht als richtig an, dass die Krankenkassen die Abrechnungen der Ärztin verglichen. Es verurteilte die Frau dazu, insgesamt 220'000 Franken zurückzuerstatten; ab 2009 waren die Abrechnungen der Ärztin übrigens gesunken, und inzwischen entsprechen sie jenen anderer Ärzte.
Schwere Fälle, Einwanderer, Selbstabgabe
Die Ärztin hatte die hohen Kosten in ihrer Praxis mit mehreren Faktoren begründet – so mit dem hohen Alter ihrer Patienten, mit einer hohen Quote an schwerkranken Patienten oder mit der Tatsache, dass sie viele Portugiesen betreue, für die hier in der Schweiz erstmals eine Patientengeschichte erarbeitet werden müsse. Ein weiteres Argument: Sie gebe selber Medikamente ab – weshalb viele Patienten öfter vorbeikämen als in anderen Praxen.
Toleranzgrenze doppelt überschritten
Erst im Februar hatte das Bundesgericht über einen recht ähnlich gelagerten Fall geurteilt: Es verurteilte einen Augenarzt aus Appenzell Ausserrhoden dazu, 520'000 Franken an insgesamt 47 Krankenkassen zurückzuerstatten. Auch hier hatte der Arzt die von den Kassen tolerierte Abweichung von 30 Prozent ähnlich deutlich überschritten: Er verrechnete 71 Prozent mehr Kosten als durchschnittliche Kollegen.
Das Gericht berücksichtigte zwar einen höheren Altersdurchschnitt seiner Patienten – der Wert lag aber auch nach einem «Abzug» noch zu hoch. Am Ende musste der Augenarzt neben der halben Million Rückerstattung auch Gerichtskosten und Prozessentschädigungen von 30'000 Franken berappen.
Es bleibt bei Einzelfällen
Grundsätzlich kommen allerdings sehr selten Fälle von Überarztung vor Gericht respektive an die Öffentlichkeit: Es handelt sich um etwa ein halbes Dutzend Fälle in den letzten zehn Jahren. Recht spektakulär war der Fall eines Genfer Arztes, der 2013 zur Rückzahlung von 1,3 Millionen Franken verurteilt wurde. Die höchste Summe wurde 2006 bei einem Zürcher Arzt festgemacht, der 2,4 Millionen Franken zurückerstatten musste. Das zuständige Schiedesgericht befand damals, ein «ähnlicher krasser Fall von Überarztung» sei weder im Archiv der Zürcher Ärztegesellschaft noch in der Rechtsprechung zu finden – und danach tauchte auch keiner auf.
Bemerkenswert war schliesslich
der Fall jenes Arztes in Biel, der offenbar notorisch überversorgte und im Januar 2005 vom Eidgenössischen Versicherungsgericht zur Rückzahlung von 780'000 Franken an die Krankenversicherer verurteilt wurde: Er durfte obendrein zwei Jahre lang keine Leistungen zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung mehr erbringen.
Die Zusatzkosten bleiben bei den Kassen hängen
Der finanzielle Schaden für die Krankenversicherer ist übrigens selbst in diesen Urteilen nie ganz gedeckt: Wie das Bundesgericht 2011 entschied, können die Krankenkassen nur jene Kosten zurückfordern, die der belangte Arzt für selbst erbrachte Leistungen und selbst abgegebene Medikamente verrechnet hat.
Das heisst: Vergütungen, welche die Krankenkasse auf Veranlassung des Arztes für Leistungen Dritter bezahlte, bleiben auf ihrer Rechnung – und solche Vergütungen sind ja oft eine logische beziehungsweise indirekte Folge der Überarztung.