Das Schweizer Fernsehen hat es auf die Labors abgesehen: Vor zwei Wochen berichtete die
«Rundschau» über die Mengenausweitung, welche frühere Kostensenkungen mehr als wettmachte.
Gleichzeitig machte die Sendung publik, dass ein Grossteil der
Laboranalysen mit Vitamintests durchgeführt werden, deren Wirksamkeit wissenschaftlich schwer belegt werden können. Thomas Rosemann, Direktor des Instituts für Hausarztmedizin an der Uni Zürich, sprach gar von einem «Schmarren».
Nun hat der
«Kassensturz» noch eine andere Praxis aufgegriffen: die Kickbacks. Es geht hier um Millionenbeiträge, die Labors an Arztpraxen ausschütten.
Die Konsequenz liegt auf der Hand: Hausärztinnen und Hausärzte haben ein monetäres Interesse, möglichst viele Laboranalysen in Auftrag zu geben – zum Teil eben auch für unwirksame Vitaminspritzen.
Aber man muss wissen: Kickbacks sind legal, sofern sie den Patienten weitergegeben werden. Das wird aber ganz offensichtlich nicht immer gemacht.
Heimlich und fragwürdig
Sie berichtete von einem Fall, in dem ein medizinisches Labor mit einem Genfer Arzt vereinbart hatte, dass dieser dem Labor jährlich Aufträge im Wert von 166'000 Franken zukommen liess – wofür er 10 Prozent des Umsatzes als Kickback bekomme. Überdies zahlte das Labor dem Arzt noch einen Vorschuss von 5'000 Franken für den Umbau seiner Praxis.
Falsche Anreize
Im «Kassensturz» zitiert wird die
Gynäkologin Christina Schlatter, die in Zürich in einer Gruppenpraxis tätig ist. Für sie setzen die Labors falsche Anreize, mit denen sie Ärzte und Ärztinnen bewusst in eine Grauzone der Legalität ziehen.
Sie wählte ein Labor, das keine Kickbacks zahlt: Christina Schlatter, Gynäkologin in Zürich, im «Kassensturz».
Schlatter erzählt von der Offerte eines Laborvertreters, der ihr bar auf die Hand ein paar Tausend Franken an Starthilfe zahlen wollte.
Das scheint keine Ausnahme zu sein: Laut «Kassensturz» sollen einige Labors den Ärzten bis zu 25 Prozent der Vergütungen der Krankenkasse zurückzahlen.
Und gemäss Schätzungen der CSS sollen Labors innerhalb von fünf bis sieben Jahren den Ärztinnen und Ärzten heimlich mehr als 100 Millionen Franken überwiesen haben.
Die einen sprechen von Kickbacks; andere von Vergütungen. Denn neben den Tarifen für die Analyse können die Labors der Krankenkasse auch 21.60 Franken für die Auftragsabwicklung in Rechnung stellen. Der Betrag beläuft sich auf jährlich insgesamt 190 Millionen Franken.
5 Franken pro Auftrag
Felix Huber vom Ärztenetzwerk Medix sagt es so: Wenn eine Praxis den Auftrag elektronisch übermittelt, und damit dem Labor das manuelle Einlesen des Auftrags erspart, so entspricht dies einer Zeitersparnis von fünf bis acht Minuten. «Das wird mit einem Einzelleistungstarif von fünf Franken vergütet», sagt Huber. Dies sei Standard.
«5 Franken für einen elektronisch eingereichten Auftrag ist Standard.» Medix-Gründer Felix Huber.
Gemäss «Kassensturz» sind es in der Praxis eher 10 als 5 Franken: «Ärzte erzählen uns, je nach Praxis und Fachrichtung können dies gut 20'000 Franken im Jahr sein. Oder mehr.»
Mit Tarmed abgegolten
Laut Santésuisse sind solche Zahlungen nicht korrekt und müssten den Versicherten weitergegeben werden. Auf den Rechnungen werden solche Abzüge nur selten ausgewiesen. «Wir vermuten, dass da mehr Gelder fliessen», sagt Christoph Kilchenmann, Chefökonom von Santésuisse.
Auch für den Ärzteverband FMH sind solche Zahlungen nicht korrekt: Präanalytische Leistungen seien mit dem Tarmed bereits abgegolten. Das betreffe auch die elektronische Auftragsvergabe.
Christoph Kilchenmann sagt: Wenn Labors so viel Geld an Ärzte zurückzahlen können, müsste der Bund die Auftragstaxe von 21.60 Franken senken.
So oder so: Für die Gynäkologin Christina Schlatter ist das ein gutes Beispiel dafür, «dass der vielbeschworene Wettbewerb im Gesundheitswesen nicht Kosten senkt, sondern über die Mengenausweitung steigert.»