Zumindest im Kanton Uri sorgte der Fall für Aufsehen: Ein Mann ist durch einen bösartigen Hirntumor pflegebedürftig geworden und seither auf Palliative Care angewiesen. In den Alters- und Pflegeheimen des Kantons gabs kein freies Bett. Also wollten die Angehörigen den sterbenskranken Mann im
Kantonsspital Uri (KSU) unterbringen. Auch dieses sagte Nein. Schliesslich konnte für den Patienten in der Palliativstation des Kantonsspitals Schwyz ein Platz gefunden werden - also ausserhalb des Kantons. So war es am 5. August 2022 im «Boten der Urschweiz» zu lesen.
Pflegebedürftig heisst nicht spitalbedürftig
Die Frage sei erlaubt: Ist es überhaupt Aufgabe eines Spitals, sterbenskranke Menschen in den Tod zu begleiten? «Palliative Care ist ein medizinischer Fachbereich wie andere auch und selbstverständlich (auch) eine Aufgabe des Spitals»,» schreibt Dorit Djelid, die stellvertretende Direktorin beim Spitalverband
Hplus. Dies aber nur, wenn der Patient, die Patientin, «grundsätzlich spitalbedürftig» ist.
Renate Gurtner Vontobel ist Geschäftsführerin der Fachgesellschaft
Palliative.ch. Sie sagt, die spezialisierte Palliativstation sei für Patientinnen und Patienten in «komplexen, instabilen Krankensituationen» sinnvoll. Das könne bei chronischen Krankheiten situativ der Fall sein oder aber am Ende des Lebens.
Pflegeheime und Hospize stehen im Vordergrund
«80 Prozent der totkranken Personen wollen zu Hause im Kreis der Angehörigen sterben», sagt Chefarzt Georg Mang vom Kantonsspital Uri. Wenn das nicht möglich sei, kämen Pflegeheime oder ein Hospiz in Frage.
Auf die Palliativstation eines Spitals kommt laut Mang nur, wenn die Angehörigen mit der medizinischen oder therapeutischen Hilfe überfordert sind - dies aber nur befristet. Das heisst, nach spätestens drei Wochen müsse eine Lösung gefunden werden, sonst stellten die Krankenkassen die Zahlungen ein.
Anders verhält es sich, wenn ein palliativer Patient auch wirklich auf Spitalpflege angewiesen ist, zum Beispiel wegen eines Organversagens. Das bedingt komplexe Behandlungen und Therapien, sei es Physiotherapie, Ergotherapie oder Logotherapie. Laut Georg Mang sind in solchen Fällen längere Spitalaufenthalte gerechtfertigt.
Im Spital ist die Aufenthaltsdauer beschränkt
Das sagt indirekt auch Renate Gurtner Vontobel von
Palliative.ch: «Faktisch ist durch die SwissDRG-Codierung die Aufenthaltsdauer beschränkt.» Diese könne jedoch verlängert werden, und es komme nicht selten vor, dass Patientinnen oder Patienten auf Palliativstationen sterben.
Einerseits, weil sie innerhalb der Behandlungsdauer versterben oder weil eine passende Anschlusslösung, beispielsweise ein Hospiz oder spezialisierte mobile Palliative Care fehle. Und dann sagt Gurtner noch: «Zudem wird kaum ein Spital sterbende Patientinnen oder Patienten abschieben.»
«Das Spital war zum Bersten voll»
Aber hat nicht das Kantonsspital Uri gerade das gemacht? «Das Spital war zu jenem Zeitpunkt zum Bersten voll», sagt Spitaldirektor Fortunat von Planta. Zudem hätte man den Patienten eh nur befristet aufnehmen können.
Von Planta gibt aber zu, dass es bei der Palliative Care im Kanton Uri noch Verbesserungspotenzial gibt. Er verweist dabei auf den Bericht «Neuordnung Langzeitpflege im Kanton Uri». Eine vom Regierungsrat eingesetzte Arbeitsgruppe soll die Situation im Kanton erläutern und Lösungsvorschläge unterbreiten. Erste Ergebnisse sollen Ende Jahr präsentiert werden.
80 Prozent möchten zuhause sterben...
... und doch sterben die meisten im Spital oder in einem Pflegeheim. Für Renate Gurtner Vontobel hat das viele Gründe. «Einer davon besteht darin, dass die Finanzierung der ambulanten Palliativversorgung derzeit ungenügend bis gar nicht geregelt ist», erklärt die Geschäftsführerin der Fachgesellschaft
Palliative.ch. Sie hofft, dass sich das mit der Umsetzung der von beiden Räten angenommenen
Motion «Für eine angemessene Finanzierung der Palliative Care» ändern wird.
Wie Renate Gurtner Vontobel weiter erklärt, ist in der Zentralschweiz die mobile spezialisierte Palliative Care an vielen Orten erst im Aufbau begriffen. Auch sie sei ungenügend finanziert, jedoch ein überaus wichtiges Angebot, um Spitex, Hausarztmedizin und vor allem auch Angehörige zu begleiten und zu entlasten.