Die Luft wird dünner für den bekannten Berner Orthopäden Max Aebi. Ein Gutachten bestätigt die Vorwürfe, mit denen sich der Berner Arzt
seit dem letzten Dezember konfrontiert sieht.
Gegen den Belegarzt des zur Hirslanden-Gruppe gehörenden Berner Salemsspitals
läuft eine Strafuntersuchung. Dies in Zusammenhang mit einem neuartigen Wirbelsäulenimplantat aus Plastik - genannt Cadisc-L -, das sich in den Patientenkörpern ungewollt zersetzt. Die Folge: teilweise massive Komplikationen.
Die Recherchen eines journalistischen Rechercheteams förderten Verfehlungen von Aebi zu Tage. Diese betreffen sowohl seine Rolle als Mitglied des Scientific Advisory Boards der Cadisc-L-Herstellerfirma Ranier Technology. So soll Aebi alarmierende Ergebnisse aus Tierversuchen intern heruntergespielt und gegenüber Heilmittelbehörden sowie im Rahmen der Zertifizierung verschwiegen haben. Zudem setzte er den Cadisc-L am Salemspital seinerseits Patienten ein. Daraufhin leitete die Berner Staatsanwaltschaft nach einer Vorprüfung die erwähnte Untersuchung ein.
Neutrales Gutachten
Die Hirslanden-Gruppe hat ihrerseits ein unabhängiges
Gutachten in Auftrag gegeben, um die Vorwürfe gegen Aebi zu prüfen - dies sowohl aus medizinischer als auch aus rechtlicher Perspektive. Die juristischen Aspekte prüfte die Zürcher Kanzlei Baumgartner Mächler, die medizinischen Andreas Raabe, Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik am Inselspital Bern. Nun wurde das Gutachten publiziert.
Das Fazit fällt zu Ungunsten von Aebi aus. Zwar schreiben die Gutachter, dass aufgrund von Sachverhaltslücken «keine abschliessende Beurteilung des Verhaltens von (Aebi) in straf- oder haftungsrechtlicher Hinsicht» möglich sei. Dies auch, weil Aebi ihnen für eine Befragung und für Stellungnahmen nicht zur Verfügung gestanden habe. Dennoch hat es der Bericht in sich.
Mehrfache Verfehlungen
Denn er bestätigt die Vorwürfe, die gegen Aebi im Raum stehen. Dies sowohl, was seine Tätigkeit als Mitglied des Beirats der Entwicklerfirma betreffen, als auch seine Verfehlungen als Operateur und Arzt.
Zitat aus dem Bericht: «(Aebi) war als Mitglied des Scientific Advisory Boards massgeblich an der Entwicklung des Implantats Cadisc-L beteiligt. Als wissenschaftlicher Beirat hatte er einen besonderen Kenntnisstand. Ihm waren die beiden missglückten Affenstudien (...) bekannt. Trotzdem hat (Aebi) die Durchführung einer klinischen Prüfung befürwortet, das Implantat beworben und in Fachartikeln positiv zur missglückten zweiten Pavian-Studie berichtet.»
Finanzielle Interessen verschwiegen
Und weiter: «Schliesslich hat (Aebi) das Implantat Cadisc-L trotz seines Wissens um die missglückten Affenstudien Patienten empfohlen und implantiert.» Die Autoren des Berichts werfen Aebi weiter auch vor, ein finanzielles Interesse am Erfolg des Cadisc-L gehabt und dieses nicht kenntlich gemacht zu haben. Wörtlich steht im Bericht: «Wie die übrigen wissenschaftlichen Beiräte besass (Aebi) eine Option zum Kauf von Aktien an Ranier Technology Ltd. (Aebi) besass demnach ein direktes finanzielles Interesse am Erfolg und damit an einer raschen Markteinführung sowie kommerziellen Verwendung des Implantats. Dabei hat (Aebi) weder seine Patienten noch das Salem-Spital über die Interessenbindungen aufgeklärt»
Keine Nachuntersuchungen gemacht
Auch in Bezug auf sein Vorgehen als Arzt kommt der Bericht zu einem vernichtenden Fazit: Im Mai 2014 wurde Aebi von Ranier mittels einer offiziellen Sicherheitsmitteilung offiziell auf Probleme mit dem Cadisc-L aufmerksam gemacht. Doch «auf die von Ranier empfohlene Nachuntersuchung seiner Patienten hat (Aebi) verzichtet», steht im Bericht. Er habe «seine Patienten nicht über die erfolgten Rückrufe und Handlungsempfehlungen informiert.» Weshalb hat Aebi nicht reagiert? Diese Frage wird ein Gericht klären müssen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: schwere Körperverletzung.