Bekannt ist, dass die genossenschaftlich organisierte Mobiliar Versicherung alle Jahre ausgewählten Kundengruppen einen Teil des Gewinns rückvergütet. Kaum bekannt ist, dass das auch einige Krankenversicherer tun – von den Grossen allerdings nur Sympany und Concordia.
Sympany stützt sich auf Artikel 17 KVAG
«Lagen die Prämieneinnahmen eines Versicherers in einem Kanton in einem Jahr deutlich über den kumulierten Kosten in diesem Kanton, so kann der Versicherer im betreffenden Kanton im Folgejahr einen Prämienausgleich machen.» So stehts in Artikel 17 des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes (KVAG).
Von dieser Möglichkeit macht Sympany seit drei Jahren und somit seit Inkrafttreten dieses Gesetzesartikels Gebrauch. Wobei nicht alle Sympany-Kunden in den Genuss einer Ausschüttung kommen, sondern nur Versicherte jener Kantone, in denen Sympany einen überdurchschnittlichen Überschuss erzielte.
Vom Gesetzgeber gewollt
Überschüsse entstehen, wenn die effektiv ausbezahlten Leistungen tiefer ausgefallen sind als ursprünglich erwartet. Normalerweise werden sie den Reserven zugeschlagen. Da aber für die Prämienkalkulation des Folgejahres die Reserven nicht angezapft werden dürfen, macht es durchaus Sinn und ist vom Gesetzgeber auch gewollt, einen Teil der erzielten Überschüsse dem Prämienzahler zurückzuvergüten.
Michael Willer
ist seit April 2017 CEO bei Sympany. Vorher stand der diplomierte Chemiker, Jahrgang 1967, während zehn Jahren bei Helsana unter Vertrag. Sein Chemie-Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich schloss Michael Willer mit dem Titel Dr. sc. nat. ab.
Das ist vor allem bei jenen Krankenversicherern sinnvoll, die eine hohe Solvenzquote aufweisen. So zum Beispiel Concordia mit einer Solvenzquote von 247 Prozent. Vivao Sympany hat mit 186.8 Prozent eine eher durchschnittliche Solvenzquote. Doch Sympany-CEO Michael Willer zeigte sich kürzlich an einem Medienroundtable erstaunt darüber, dass andere Krankenversicherer ihre Kunden nicht ebenfalls an den zu viel eingenommenen Prämien teilhaben.
Bloss eine Marketingaktion?
Willer nennte keine Namen. Doch gemäss den Aufsichtsdaten des Bundesamts für Gesundheit (BAG) gehört Visana zu jenen Kassen, die mit 218 Prozent eine überdurchschnittliche Solvenzquote aufweisen. Dennoch will der Berner Krankenversicherer von einer Überschussbeteiligung nichts wissen und hält das für eine Marketingaktion.
Auf die Frage, weshalb Visana trotz hoher Solvenzquote nicht einen Teil des Gewinns den Versicherten zurückzahlt, erwidert der Firmensprecher: «Angesichts der Tatsache, dass nur Sympany und Concordia so fahren, und die restlichen 98 Prozent der Versicherer ein anderes Vorgehen wählen, wäre wohl eher die Frage gerechtfertigt, weshalb die beiden genannten Versicherer bewusst ausscheren.»
Wenn man die Ausschüttung auf den einzelnen Versicherten runterbreche, so Visana weiter, gäbe das sehr kleine Beträge zwischen 1 und 100 Franken, die systematisch auf einzelne Versichertengruppen verteilt würden. Das Vorgehen sei kompliziert und aufwändig.
Solothurner erhalten 370 Franken zurück
Nun, ganz so bescheiden ist die Ausschüttung auch wieder nicht. Ein Sympany-Kunde der Stadt Basel erhielt in zwei Jahren immerhin 290 Franken zurück. Ein Solothurner allein für 2018 den Betrag von 370 Franken, was bei hoher Franchise einer Monatsprämie entspricht (siehe Bild). Insgesamt erhalten dieses Jahr sechs von zehn Sympany-Kundinnen und Kunden Geld zurück. 18,8 Millionen Franken, ein Drittel des in der Grundversicherung erzielten Gewinns wird zurückbezahlt.
Schwierige Kalkulation nach Änderung des Risikoausgleichs
Hohe Überschüsse sind die Folge einer missratenen Kalkulation beziehungsweise einer pessimistischen Schätzung der im kommenden Jahr zu vergüteten Gesundheitskosten. Wie Michael Willer erklärt, gestalte sich die Prämienkalkulation besonders in jenen Jahren als schwierig, in welchen der Risikoausgleich angepasst wird.
Ob Marketingaktion oder nicht. Michael Willer wörtlich: «Wir gehen mit den Prämiengeldern unserer Kundinnen und Kunden treuhänderisch um. Darum steht es für uns ausser Frage, dass wir ihnen allfällige Überschüsse als faire Versicherung auch zurückzahlen.»
Warum zahlt Helsana Überschüsse nicht zurück?
Die Antwort von Helsana, weshalb man den Versicherten die Überschüsse nicht zurückzahlt: «Eine Auszahlung von Reserven schmälert die Sicherheit des Kollektivs; die Reserven dienen ja dazu, die langfristige Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten. Hier ist es wichtig, die Proportionen zu wahren: Die monierten «überschüssigen Reserven» entsprechen bloss einer Finanzierungsreserve von wenigen Wochen und eine Auszahlung von Reserven auf das Minimum können einen Versicherer rasch destabilisieren. Sympany und Concordia – sofern eine solche Auszahlung überhaupt zugelassen wird – können sich solche Aktionen am ehesten leisten, denn sie verfügen mit Abstand über die besten Solvenzquoten.»
Warum zahlt Concordia Überschüsse zurück?
Wie Sympany zahlt auch Concordia Überschüsse an ihre Versicherten aus. Sie stützt sich aber nicht auf Artikel 17 KVAG, sondern auf Artikel 26 KVAG: «Freiwilliger Abbau von übermässigen Reserven».
Dort steht unter anderem «Der für den Abbau der Reserven festgelegte Betrag wird nach einem angemessenen, vom Versicherer bestimmten Schlüssel auf die Versicherten im örtlichen Tätigkeitsbereich des Versicherers verteilt.» Und weiter: «Der Versicherer zieht den Ausgleichsbetrag von der von der Aufsichtsbehörde genehmigten Prämie ab und weist ihn auf der Prämienrechnung gesondert aus.»
Genau das tut Concordia seit Einführung der Aufsichtsverordnung KVAV. «2017 haben wir 30 Millionen und 2018 rund 27 Millionen Franken an unsere Grundversicherten in der ganzen Schweiz ausgezahlt», erklärt Concordia auf Anfrage. 2019 werden es - vorbehältlich der Genehmigung des BAG, die im September eintreffen sollte - sogar 55 Millionen sein.