Er gilt als «Mozart der Medizin» – nun wird gegen ihn ermittelt. Wieder einmal. Denn der Star der Appenzeller Alternativmedizin, Thomas Rau (73), war wegen seiner Methoden und seiner zum Teil prominenten Patienten schon früher in den Schlagzeilen.
Nun geht es um zwei Frauen, die vor gut zwei Jahren nach Behandlungen in seiner Klinik gestorben sind. Im rechtsmedizinischen Gutachten vermuten die Experten
laut der «NZZ am Sonntag», dass einer Patientin ein in der Schweiz damals nicht zugelassenes Medikament gespritzt worden sei, dessen Nebenwirkungen sie töteten.
Im zweiten Fall werfen andere Gutachter Rau schwere Pflichtverletzungen vor, die zum Tod geführt hätten. Er und eine Mitbeschuldigte weisen jede Verantwortung von sich.
Thomas Rau meldete die Todesfälle beim Kanton. Doch die Medien haben die Ausserrhoder Behörden im Verdacht, den Arzt zu schützen. Sie würden nur zögerlich untersuchen und Raus Klinik, das Biomed Center Sonnenberg in Schwellbrunn, aus wirtschaftlichen Gründen schonen (siehe Kasten weiter unten).
Der Fall des Prinzen
Genährt wird dieser Verdacht, weil ein anderer Fall verjährte, bevor es zu einem Urteil kam. Es ging damals um den pakistanischen Prinzen Sadruddin Aga Khan. Er liess sich wegen einer Krebserkrankung 2002 in der Paracelsus-Klinik Lustmühle von Rau behandeln. Nachdem der Prinz mehrere Injektionen ins Brustbein erhalten hatte, klagte er über Schmerzen bei der Injektionsstelle und Fieber. Neun Monate später starb er an den Folgen einer Infektion im Alter von 70 Jahren.
Nun muss sich der Ausserrhoder Landammann und Gesundheitsdirektor Yves Noël Balmer im aktuellen Fall verteidigen. Sein Amt kontrolliere die Naturheilmedizin nicht lascher als die Schulmedizin. Gegenüber den
Ostschweizer Tagblatt-Medien sagte Balmer, das Amt für Gesundheit habe nach Raus Meldung unverzüglich Abklärungen eingeleitet. Diese hätten bis November 2022 gedauert.
Hinweise reichen nicht aus
Die Abklärungen hätten gezeigt: «Die Feststellungen sind nicht ausreichend, um Massnahmen zu treffen». Es gibt offenbar derzeit keine Hinweise, dass die Behandlungen Raus akut gesundheitsgefährdend sind.
Balmer ärgert sich über die Unterstellung, der Kanton gehe gegen Alternativmediziner – und vor allem gegen renommierte – zögerlich vor. Es würden alle Institutionen und alle Gesundheitsfachpersonen gleich behandelt. Ob der Kanton Massnahmen ergreift, hängt vom Ausgang der Strafuntersuchung ab. Wie lange diese dauert, ist unklar.
Darum ist Appenzell Ausserhoden die Heiler-Hochburg
In Appenzell Ausserrhoden ist die Naturheilkunde ein wichtiger Wirtschaftszweig. Der Grund dafür, dass sich so viele Naturheilpraktiker im Halbkanton niederlassen, ist die liberale Gesetzgebung. Die bis heute gültige Praxis zieht Heiltätige und Therapeuten aus anderen Kantonen und dem benachbarten Ausland an.
Es gibt für sie eine Zulassungsprüfung. Etwa 250 Heilpraktiker sind registriert. Diese dürfen Heilmittel und so genannte Hausspezialitäten abgeben, die ausschliesslich kantonal registriert sind. Dies sind zurzeit etwa 700 Präparate und 623 Hausspezialitäten, die in Apotheken, Drogerien und Heilpraxen mit Spezialbewilligung hergestellt und nur im eigenen Betrieb abgegeben werden dürfen.
Ärztinnen und Ärzte – so auch Thomas Rau – müssen keine Prüfung ablegen. Von 1992 bis 2019 war Thomas Rau Teilhaber und medizinischer Direktor der Paracelsus-Klinik Lustmühle. Nach einem kurzen Intermezzo in der Paracelsus-Klinik Niederteufen eröffnete er 2020 in Schwellbrunn seine eigene Klinik.