Die meisten Akteure im Gesundheitswesen arbeiten nicht mehr mit Fax und Schreibmaschine, sondern mit Computern und digitalen Tools. Trotzdem häufen sich die Klagen über die zunehmende Bürokratie. Woran liegt das?
Unter anderem daran, dass die Digitalisierung an sich noch kein Heilsbringer ist. Bloss weil ein Formular digital statt analog ausgefüllt wird, ist die Effizienz noch nicht gesteigert. Hier liegt das Problem: In der Vergangenheit wurde viel über Fax und Patientendossiers diskutiert – und zu wenig über Prozesse und Automatisierung.
Statt wie beim elektronischen Patientendossier die analoge Arbeit ins digitale Zeitalter zu «kopieren», sollten wir zuerst über Prozesse und Automatisierung sprechen: Wie schaffen wir es, dass die Leistungserbringer wieder mehr Zeit am Patienten und weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen können?
Wir brauchen intelligente Schnittstellen zwischen den verschiedenen Systemen (insbesondere Klinikinformationssystem, Patienteninformationssystem und EPD-System). Es muss gelingen, dass die Systeme nach dem Once-Only-Prinzip Daten speichern und dann strukturierte Informationen untereinander austauschen können – und nicht PDF-Berichte.
«Man sollte zunächst fünf typische Arbeitsabläufe von Beschäftigten im Gesundheitswesen aufnehmen und analysieren.»
Was ich bei den Digitalisierungs-Bemühungen vermisse, ist, dass wir keine vertiefte Prozessdiskussion führen. Neudeutsch heisst das «User Centered Design». Man sollte zunächst fünf typische Arbeitsabläufe von Beschäftigten im Gesundheitswesen aufnehmen und analysieren. Auf dieser Basis kann ein effizienter Prozess gestaltet werden, der dann durch Digitalisierung und insbesondere Automatisierung umgesetzt wird.
Ich hoffe, dass das Projekt Digisanté diesen Ball aufnimmt. Der Bundesrat beantragt dem Parlament einen Verpflichtungskredit von 392 Millionen Franken (bei Totalkosten von 624 Millionen Franken) für die Modernisierung des Gesundheitswesens. Digisanté enthält einen bunten Strauss an Massnahmen, die auf der
Website des Bundes nachgelesen werden können.
«Die Macherinnen und Macher im Gesundheitswesen müssen sich zusammentun und gemeinsam die Automatisierung vorantreiben.»
Bei aller Kritik an den Versäumnissen der Vergangenheit ist festzuhalten, dass das Programm an den richtigen Stellen ansetzt. Das reicht von der Definition von Standards über den Aufbau einer nationalen Infrastruktur bis hin zur besseren Nutzung von Daten für die Forschung. Die Botschaft des Bundesrates listet die Massnahmen umfassend auf.
Die Herausforderung wird sein, nach der Bewilligung des Kredits genügend PS auf den Boden zu bringen. Die Macherinnen und Macher im Schweizer Gesundheitswesen müssen sich zusammentun und gemeinsam die Automatisierung vorantreiben. Dabei ist es wichtig, von Anfang an die Verantwortlichkeiten zu klären: Wo koordiniert der Bund, wo entscheidet er und wie bindet er die Leistungserbringer effizient und effektiv ein?
Hilfreich wäre es, verschiedene «Use Cases» mit klar messbaren Zielen zu definieren und diese Schritt für Schritt umzusetzen. Sobald der Nutzen für Leistungserbringer und Patienten sichtbar wird, gibt es Rückenwind für weitere Projekte.