Die Gesundheitskommission des Nationalrates berät die Differenzen im Kostendämpfungspaket 2 des Parlaments. Dabei stehen viele Fragen zur Debatte, die für die Medikamentenversorgung relevant sind. Mit dem Entscheid, erst im Herbst die Details vertieft zu beraten, liegt der Ball nun beim BAG, das gemeinsam mit den Versicherern und der Pharma einen Kompromiss finden soll.
Konkret geht es um Folgendes:
- Der Bundesrat will künftig sehr günstige und margenschwache Medikamente von der dreijährigen Preisüberprüfung respektive von Preissenkung ausnehmen. Dies aus dem einfachen Grund, um zu verhindern, dass ein Medikament aus dem Markt verschwindet, weil der Preis zu tief ist. In der Schweiz gibt es Medikamente, die günstiger als eine Packung Kaugummi sind. Das erschwert die Deckung der Produktionskosten. Die Änderung wird in Art. 32 Abs. 3 KVG vorgenommen.
- Der Bundesrat will die Praxis der heutigen vertraulichen Preismodelle, mit denen pro Jahr mehrere hundert Millionen Franken zu Gunsten der Prämienzahlenden eingespart werden können, im Gesetz verankern (bisher Verordnungsstufe).
Diese beiden Themen werden wohl im einen oder anderen Sinne vom Parlament verabschiedet werden.
Nun hat der National- und Ständerat noch zwei wesentliche Neuerungen zur Diskussion gestellt:
- Verkauf ab Tag 0 der Zulassung. Der Nationalrat hat beschlossen, dass innovative Medikamente grundsätzlich ab dem Tag ihrer Zulassung in der Schweiz anhand eines provisorisch definierten Preises auf den Markt kommen sollen. Damit will das Parlament sicherstellen, dass innovative Medikamente schneller für alle Patientinnen und Patienten in der Schweiz zugänglich werden; nicht erst dann, wenn sich das BAG und die Pharmaunternehmung auf einen Preis geeinigt haben. Darüber hinaus können mit dieser Massnahme die Kosten weiter gedämpft werden, weil die Patientinnen und Patienten schneller gesund werden.
«Es kann nicht sein, dass in einem Land wie der Schweiz – mit Sitz des grössten Pharmaunternehmens der Welt – innovative Medizin später als anderswo auf den Markt kommt.»
Der Ständerat hat die Forderung des Nationalrates nun verschärft. Diese Verschärfung birgt die Gefahr, dass der Prozess der Verkaufszulassung ab Tag 0 nur für sehr wenige Medikamente gelten würde. Das macht die Massnahme praktisch wirkungslos. Hier muss der Nationalrat nochmals korrigieren.
- Einführung eines Kostenfolgemodells. Der Ständerat hat beschlossen, dass Pharmaunternehmen bei Medikamenten, die in der Schweiz einen hohen Umsatz aufweisen, einen Teil des Umsatzes an die Krankenversicherungen zurückbezahlen sollen. Damit will der Ständerat eine durch das Parlament überwiesene Motion umsetzen. Ein solches Modell ist per se nicht falsch und wird bei gewissen Medikamenten und in verschiedenen Ländern bereits praktiziert.
Es bleiben aber viele offenen Fragen, wie das in der Schweiz konkret umgesetzt würde. Welche Medikamente wären davon betroffen? Können bereits auf dem Markt befindende Medikamente ausgenommen werden (Rechtssicherheit)? Wie hoch ist die Rückvergütung? Wie ist das Zusammenspiel mit der ohnehin stattfindenden dreijährigen Preisüberprüfung?
Chance fürs Trio Farmaco
Das BAG hat nun die Chance, mit den Verbänden der Krankenversicherer und der Pharmabranche eine Lösung zu finden, damit innovative Medikamente möglichst rasch für alle zugänglich werden – und damit ein Kostenfolgemodell im Kontext des Schweizer Systems erfolgreich sein kann.
Ich wünsche mir, dass sich alle einen Ruck geben und ein Kompromiss in diesen wichtigen Fragen ermöglichen. Es kann nicht sein, dass in einem Land wie der Schweiz – mit Sitz des grössten Pharmaunternehmens der Welt – innovative Medizin später als anderswo auf den Markt kommt.
Das Massnahmenpaket 2
Im September 2022 lancierte der Bundesrat ein Paket mit Anpassungen des Krankenversicherungs-Gesetzes KVG. Ziel: «Die Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung auf das medizinisch begründbare Mass einzudämmen». Insgesamt sieht das Paket sieben Schritte vor.