Die Diskussionen über die Kosten im Gesundheitssystem scheinen kein Ende zu nehmen. Die Schweiz hat eine der höchsten Gesundheitsausgaben pro Kopf, doch für eine sachliche Betrachtung der Effizienz im ambulanten Bereich reicht es trotzdem selten.
Dabei wäre es definitiv an der Zeit, nach Lösungen zu suchen, die auf Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit basieren.
Martin Wiewiorski ist Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates und dabei selbstständig tätig in Winterthur. Er ist zudem Dozent an der Universität Basel.
In der Diskussion wird oft übersehen, wie unterschiedlich die Wirtschaftlichkeit bei niedergelassenen Ärzten einerseits, bei Spitälern andererseits überwacht wird:
- Niedergelassene Grundversorger und Spezialisten, die ambulante Tarife anwenden, unterliegen einer strengen und kontinuierlichen Überwachung durch Santésuisse und andere Aufsichtsorgane. Diese Überprüfung zwingt die Ärzte, in ihren Praxen wirtschaftlich zu arbeiten, und sie sorgt dafür, dass Kosten möglichst effizient kontrolliert werden.
- Kantonale Spitäler werden indessen bei ihren ambulanten Tätigkeiten kaum überwacht, und in vielen Fällen wirtschaften sie in diesem Bereich defizitär.
Dies führt zu einer paradoxen Situation: Während Praxen und ambulante Zentren unter hohem Druck stehen, effizient zu arbeiten, häufen Spitäler Verluste an – ohne dass die Konsequenzen klar benannt werden.
«Es fehlt das nötige Bewusstsein, um den Fokus auf die Effizienzsteigerung in der ambulanten Versorgung zu legen.»
Die ineffizienten ambulanten Prozesse in vielen Spitälern machen eine radikale Umstrukturierung unausweichlich. Um die Effizienz zu steigern, müssen die Abläufe in den Spitälern dringend reformiert werden. Das derzeitige System, in dem stationäre Leistungen im Vergleich zu ambulanten gut vergütet werden, schafft falsche Anreize und behindert den notwendigen Wandel. Zu gross ist die Verlockung, sich auf lukrative stationäre Eingriffe zu konzentrieren, insbesondere bei zusatzversicherten Patienten.
Dies trägt dazu bei, dass der notwendige Wandel im ambulanten Bereich in den Spitälern nur schleppend vorangeht. Es fehlt das nötige Bewusstsein, um den Fokus auf die Effizienzsteigerung in der ambulanten Versorgung zu legen. Doch was wäre zu tun?
Möglichkeiten zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit:
Ambulante Prozesse strikt von den stationären trennen. Um die Effizienz zu steigern, ist es notwendig, ambulante von stationären Abläufen konsequent zu entkoppeln. So eine strikte Trennung würde verhindern, dass Ressourcen des stationären Bereichs in den ambulanten Bereich übergehen, was wiederum zu einer klareren Fokussierung auf die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen der ambulanten Versorgung führen dürfte. Stationäre und ambulante Prozesse erfordern unterschiedliche Herangehensweisen in der Organisation und im Management, und eine strikte Entkopplung kann Verwirrungen und Ineffizienzen verhindern.
Autarkie ermöglichen. Eine eigenständige Struktur für die ambulante Versorgung kann helfen, Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und den Betrieb schlanker und effizienter zu gestalten. Ein autarkes System ermöglicht es, Ressourcen gezielt einzusetzen – ohne Abhängigkeit von den komplexeren Strukturen des stationären Betriebs. Dies umfasst auch eine effiziente Nutzung von Personal, Räumlichkeiten und technischen Ressourcen, die speziell für ambulante Fälle benötigt werden.
«Nur mit einer klaren Trennung von ambulanten und stationären Abläufen kann die Abhängigkeit von staatlichen Mitteln reduziert und die Zukunft vieler Spitäler gesichert werden.»
Eigener Personalschlüssel. Die ambulante Versorgung erfordert ein eigenes Personalmodell, das auf die spezifischen Bedürfnisse und Abläufe zugeschnitten ist. Ein klar definierter Personalschlüssel, der unabhängig von den stationären Anforderungen funktioniert, verhindert unnötige Überschneidungen und hilft, Arbeitsabläufe effizient zu gestalten.
Separate Räumlichkeiten für ambulante Behandlungen. Die räumliche Trennung der ambulanten Versorgung von den stationären Bereichen wäre ein weiterer Schritt: Damit wird nicht nur die Logistik vereinfacht, sondern auch das Erlebnis für die Patienten verbessert. Patienten profitieren von einem speziell auf ihre Bedürfnisse ausgerichteten Umfeld, das schneller, flexibler und patientenorientierter arbeitet. Dies senkt Wartezeiten und verbessert die Qualität der Versorgung.
Aufbau einer ambulanten Operationsklinik. Ambulante Operationskliniken, angesiedelt beispielsweise an der Peripherie einer Stadt, könnten sich auf spezialisierte Eingriffe konzentrieren und so zu einer Entlastung der zentralen Spitäler beitragen. Durch die Verlagerung ambulanter Operationen aus den grossen, teureren Spitälern in kleinere, spezialisierte Kliniken lassen sich nicht nur Kosten sparen, sondern auch der Zugang für Patienten verbessern: Denn solche Einrichtungen können häufig schneller arbeiten.
Fazit
Die ambulante Versorgung in der Schweiz bietet enormes Potenzial für wirtschaftliches Arbeiten – und Spitäler könnten hier von den niedergelassenen Ärzten viel lernen. Die Praxis-Ärzte beweisen schon heute, dass es mit den bestehenden Tarifen möglich ist, effizient und kostenbewusst zu arbeiten, ohne dass die Qualität der Versorgung leidet. Im Gegensatz dazu operieren viele Spitäler im ambulanten Bereich mit ineffizienten Strukturen und schreiben dadurch rote Zahlen.
Es ist dringend notwendig, dass Spitäler ihre Prozesse reformieren und die Ambulantisierung ernst nehmen: Sie sollten sich auf schlankes, eigenständiges Arbeiten konzentrieren – und nur durch konsequente Effizienzsteigerungen und eine klare Trennung von ambulanten und stationären Abläufen kann die Abhängigkeit von staatlichen Mitteln reduziert und die Zukunft vieler Spitäler gesichert werden.
Ein Blick auf die wirtschaftliche Arbeitsweise der niedergelassenen Ärzte zeigt, dass dies nicht nur dringend notwendig, sondern auch möglich ist.