ETH: Ein Gel gegen die schädliche Wirkung von Alkohol

Ein Zürcher Forscherteam entwickelte ein Verfahren, das den Alkohol schon im Magen-Darm-Trakt in harmlose Essigsäure verwandelt. Bei Mäusen funktioniert es.

, 13. Mai 2024 um 19:10
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Hilft, hier einen kühlen Kopf zu bewahren  |  Symbolbild: Aleksandr Popov on Unsplash
Wie gelangt der Alkohol ins Blut? Vor allem über die Magenschleimhaut und den Darm – und was dann kurz- und langfristig geschieht, ist bekannt genug.
Die ETH Zürich meldet nun, dass eines ihrer Forscherteams ein Protein-Gel entwickelt hat, das hier helfen könnte. Denn das neue Produkt baut den Alkohol bereits im Magen-Darm-Trakt ab.
Zumindest im Test an Mäusen zeigte sich, dass dieses Gel den Alkohol schnell in harmlose Essigsäure verwandelt – und zwar bevor dieser ins Blut gelangt.
Das Gel könnte also dereinst vor oder während des Alkoholkonsums oral eingenommen werden, um zu verhindern, dass der Blutalkoholpegel steigt.
«Das Gel verlagert den Alkoholabbau von der Leber in den Verdauungstrakt», sagt Raffaele Mezzenga, ETH-Professor für Lebensmittel und weiche Materialien: «Im Gegensatz zum Alkoholstoffwechsel in der Leber entsteht dabei aber nicht das schädliche Zwischenprodukt Acetaldehyd.» Das Gel könnte vor allem für Menschen interessant sein, «die nicht ganz auf Alkohol verzichten möchten, aber ihren Körper nicht belasten wollen und nicht an der Wirkung des Alkohols interessiert sind», sagt Mezzenga.
  • Jiaqi Su, Pengjie Wang, Wei Zhou, Mohammad Peydayesh, Jiangtao Zhou, Tonghui Jin, Felix Donat, Cuiyuan Jin, Lu Xia, Kaiwen Wang, Fazheng Ren, Paul Van der Meeren, F. Pelayo García de Arquer, Raffaele Mezzenga: «Single-site iron-anchored amyloid hydrogels as catalytic platforms for alcohol detoxification», in: «Nature Nanotechnology», Mai 2024.
  • doi: 10.1038/s41565-​024-01657-7
Für die Herstellung des Gels verwendeten die ETH-Forscher gewöhnliche Molkenproteine. Diese wurden lange gekocht, so dass sich daraus lange, dünne Fasern bildeten. Anschliessend kamen Salz und Wasser als Lösungsmittel hinzu: Damit vernetzen sich die Fasern zu einem Gel.
Damit das Gel den Alkohol abbauen kann, braucht es dann weitere Katalysatoren. Als Hauptkatalysator im ETH-Projekt dienen einzelne Eisenatome, die dann gleichmässig über die Oberfläche der langen Proteinfasern verteilt werden. «Wir tauchten die Fasern quasi in ein Eisenbad, sodass sie wirksam mit dem Alkohol reagieren und ihn in Essigsäure verwandeln können», sagt Jiaqi Su, die Erstautorin der Studie.

Alkoholpegel 40 Prozent tiefer

Um diese Reaktion im Magen auszulösen, sind winzige Mengen an Wasserstoffperoxid nötig. Diese werden durch eine vorgelagerte Reaktion zwischen Glucose und Goldnanopartikel erzeugt. Die Forschenden entschieden sich für Gold als Katalysator für Wasserstoffperoxid, da das Edelmetall nicht verdaut wird und daher länger im Verdauungstrakt wirksam ist.
Im Test wurde das Gel…
  • …einer Mäusegruppe gegeben, die einmalig Alkohol bekam, sowie
  • …einer Mäusegruppe, die 10 Tage lang regelmässig Alkohol erhielt.
Resultat:
  • Eine halbe Stunde nach der einmaligen Alkoholabgabe senkte die Anwendung des Gels den Alkoholpegel der Mäuse um vierzig Prozent. Fünf Stunden nach Alkoholaufnahme war ihr Blutalkoholspiegel im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Gel um 56 Prozent gesunken.
  • Bei den Mäusen, die 10 Tage lang Alkohol erhielten, konnten die Forschenden neben einem niedrigeren Alkoholpegel zudem eine therapeutische Wirkung des Gels nachweisen: Die Versuchstiere, die neben dem Alkohol täglich das Gel bekamen, zeigten einen deutlich geringeren Gewichtsverlust, weniger Leberschäden sowie bessere Blutwerte.
Nun sind klinische Test nötig, um das Verfahren für Menschen einzuführen. Aber das ETH-Team Forschenden hat schon ein Patent für das Gel beantragt.

  • Forschung
  • Endokrinologie
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