Darum geht's: Im August 2021 hat das Schweizer Expertengremium Krebsfrüherkennung (Cancer Screening Committee) die Screening-Methoden für Gebärmutterhalskrebs
erstmals systematisch untersucht. Die Resultate zeigten unter anderem, dass die üblichen «Jahreskontrollen» unnötig sind. Seither empfehlen die Krebsliga Schweiz und die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) den in der Schweiz üblichen Pap-Abstrich (siehe Box am Ende des Textes)
alle drei Jahre.
Eine weitere Erkenntnis des Expertengremiums war, dass der primäre HPV-Test in der Altersgruppe 30 bis 70 Jahre im Vergleich zum Pap-Abstrich klinisch- und kosteneffektiver ist. Die Krux: Der dazu notwendige HPV-Test mittels PCR-Verfahren übernimmt die Grundversicherung nicht.
Damit Frauen die Kosten für den PCR-Test (Kosten rund 180 Franken) nicht selbst tragen müssen, bereiten die SGGG-Fachkommission und die Krebsliga derzeit einen
Antrag für die Kostenerstattung durch die Grundversicherung vor. Darüber entscheiden muss das Bundesamt für Gesundheit (BAG).
In einem Interview nimmt Thomas Eggimann, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und Generalsekretär der SGGG, Stellung zum Umbruch in der Gynäkologie.
Herr Eggimann, seit Jahrzehnten sollen Frauen jährlich einen Pap-Abstrich machen lassen – die SGGG empfiehlt diesen aber nur noch alle drei Jahre. Ist das Geschäft mit den Pap-Abstrichen heute eine Geldmacherei?
Seit Jahren hat man den Frauen beigebracht, dass sie jährlich zur Vorsorge sollen. Einige Kolleginnen und Kollegen haben dies immer noch als Geschäftsmodell – langsam stirbt dieses aber aus. Zur Verrechnung: Ob ich einen Abstrich entnehme oder nicht, wirkt sich bei korrekter Abrechnung mit dem aktuellen Tarif nicht auf die Kosten aus.
Heisst das also, dass die Kosten einer Vorsorgeuntersuchung mit oder ohne Pap-Abstrich gleich hoch sind?
Genau. Der Pap-Abstrich ist in der Leistung-Nummer 22.0020 «gynäkologische präventive Untersuchung durch den Facharzt als alleinige Leistung» inkludiert. Dann kommen noch die Laborkosten für den Pap-Abstrich dazu. Doch davon hat der Facharzt nicht. Die regelmässige gynäkologische Vorsorge hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt.
Inwiefern?
Die präventive Untersuchung umfasst heute nicht nur die Pap-Entnahme, sondern vor allem die Beratung. Diese geht von der Krebsvorsorge, über das Beschwerden-Management bis hin zur Familienplanung/Verhütungsberatung und Hormonersatztherapie.
Trotzdem: Fachärzte, die ihren Patientinnen die «Jahreskontrolle» nach wie vor ans Herz legen, machen damit zusätzliches Geld. Der Pap-Abstrich wäre nur alle drei Jahre notwendig ...
Wenn die Begründung gegenüber den Frauen die Gebärmutterhalskrebsvorsorge ist, dann könnte man es als Geldmacherei sehen. Wenn es aber um die oben genannten Punkte der umfassenden Beratung und Vorsorge geht, dann kann zum Teil auch eine jährliche Konsultation Sinn machen.
Weshalb empfiehlt das Expertengremium diesen Pap-Abstrich «nur» noch alle drei Jahre?
Wir empfehlen diesen in der Altersgruppe von 20 bis 70 Jahre, weil es bei fehlendem Risiko, sprich: keine Krebsvorstufen oder Krebs in der Vorgeschichte, reicht, um mit hoher Wahrscheinlichkeit keine invasive Krebserkrankung zu verpassen.
Seit wann gibt es HPV-Tests mittels PCR-Verfahren überhaupt?
PCR-Tests gibt es seit Mitte der 80er Jahre – HPV-Tests mittels PCR-Verfahren bereits seit rund 20 Jahren. Damit wird keine Zellveränderung gefunden, sondern das HPV-Virus nachgewiesen, das für die Zellveränderungen verantwortlich ist.
Ist der HPV-Test sicher?
Kein Test ist zu 100 Prozent sicher. Die Verlässlichkeit für den Virusnachweis ist sehr hoch, sagt aber noch nichts über Krebs aus. Der Pap-Abstrich, bei dem Tumorzellen nachgewiesen werden, sollte bei dem Modell deshalb nur nach einem pathologischen Virusnachweis erfolgen.
Welche Nachteile hat der HPV-Test?
Mit rund 180 Franken ist er immer noch zu teuer.
Gemeinsam mit der Krebsliga Schweiz bereitet die SSSG einen Antrag für die Kostenerstattung durch die Grundversicherung vor. Sollte das BAG zustimmen, wird über die Kosten verhandelt. Wie gross sind die Chancen einer Zustimmung?
Das kann ich nicht abschätzen, weil es sich um politische Prozesse handelt, die oft von weiteren Tagesaktualitäten abhängig sind.
Was, sollte das BAG ablehnen?
Grundsätzlich erleben wir in der Gynäkologie einen Paradigmenwechsel. Das Modell der Vorsorge ändert sich, die Anliegen der Frauen, die viel breiter sind, werden sowieso bleiben. Wir hoffen darauf, dass die Zeit einmal mehr hilft, dass sich die «Neuerungen» bis in die letzte Praxis durchsetzen werden. Sollte der HPV-Test allerdings endgültig als Pflichtleistung abgelehnt werden, werden wohl auch die Empfehlungen mit einem entsprechenden Vermerk versehen.
Zahlen und Fakten
Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen. Fast alle Tumoren des Gebärmutterhalses gehen auf eine anhaltende Infektion mit bestimmten Humanen Papillomaviren (HPV) zurück.
In der Schweiz erkranken jährlich etwa 260 Frauen neu an Gebärmutterhalskrebs – um die 70 erliegen der Krankheit (Stand: 2022).
Die Screenings:
Dank einem Screening lassen sich Gewebeveränderungen am Gebärmutterhals frühzeitig erkennen und Krebserkrankungen verhindern oder frühzeitig behandeln.
Zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs gibt es zwei Screenings, die auf einem regelmässig entnommenen Gebärmutterhalsabstrich beruhen:
- Pap-Test: Der Abstrich wird auf Zellveränderung untersucht, weshalb er auch zytologischer Abstrich genannt wird. Dieses Screening kommt in der Schweiz am Häufigsten zum Einsatz.
- HPV-Test: Der Abstrich wird auf Humane Papillomaviren (HPV) untersucht. Ziel ist es, Hochrisiko-HPV-Viren auszumachen. Sie erhöhen die Gefahr für Gebärmutterhalskrebs. In der Schweiz hat er sich noch nicht als Routinetest durchgesetzt.
Die Kostenübernahme:
Bei jedem dritten Besuch werden dementsprechend Franchise und Selbstbehalt der Grundversicherung fällig. Wird bei der Untersuchung eine Erkrankung diagnostiziert, wird ebenfalls über die Grundversicherung abgerechnet.
Die Zusatzversicherung übernimmt in der Regel zwischen 80 und 90 Prozent der Kosten, je nach Versicherungsmodell. Positiv dabei: Einige Versicherer verrechnen die gynäkologische Voruntersuchung nicht mit der Jahresfranchise.