Zu den Spezialisten, die wegen ihrer hohen Einkommen öfters in Kritik geraten, gehören bekanntlich die Radiologen. Aber gerade dadurch zeigt uns dieser Fachbereich beweist vielleicht bald etwas ganz anderes – nämlich wie man die Gesundheitskosten auch dank Technik dämpfen kann.
Ein bemerkenswerter Fachbeitrag im «New England Journal of Medicine» prognostiziert jedenfalls, dass die Radiologen sehr bald ohnehin verschwinden: Wir haben es, so die These, mit einer Fachrichtung zu tun, die weitgehend eingespart werden kann.
Der Beitrag, verfasst von
Ziad Obermeyer (Harvard Medical School/Brigham and Women's Hospital sowie
Ezekiel Emanuel (University of Pennsylvania) dreht sich eigentlich um die Frage, wie sich
Artificial Intelligence auf den medizinischen Alltag auswirken wird. Die beiden AI-Medizin-Forscher kommen – wenig überraschend – zum Schluss, dass alle Bereiche vor grossen Umwälzungen stehen. Am meisten betroffen aber seien die Radiologen und Pathologen.
Diese beiden Fachrichtungen könnten weitgehend überflüssig werden. Denn ihre Kernaufgabe besteht heute weitgehend darin, digitale Bilder zu interpretieren – eine Tätigkeit, welche sehr bald von Algorithmen übernommen wird.
Umsturz auch in der Palliative Care
«Massive Bildgebungs-Datenmengen, kombiniert mit den jüngsten Fortschritten der Computervision, werden die Ergebnisse hier massiv verbessern», schreiben die Forscher. «Die Präzision der Maschinen wird die der Menschen bald übertreffen.» Die Radiologie sei schon sehr weit fortgeschritten auf diesem Weg: «Bei der Interpretation von Mammographien können Algorithmen bereits einen zweiten Radiologen ersetzen. Bald werden sie hier die menschliche Genauigkeit überholt haben.»
Ähnliches liesse sich auch für die Pathologie sagen. Ein weiteres Feld, wo die Künstliche Intelligenz laut den zitierten Autoren recht bald Einfluss zeigen wird, ist die Palliative Care. Denn die AI bringe auch mit sich, dass man personalisiertere Aussagen über die weitere Krankheitsentwicklung eines Menschen treffen kann. Was auch dazu führt, die Betreuungsschritte gezielter und präziser zu planen.
AI wird nicht müde in der Nacht
Natürlich fragt es sich auch, ob die Beteiligten auch umsetzen werden, was die Theoretiker hier begeistert rühmen. Aber nur schon der Kosten-Aspekt deutet an, dass ein starker Druck wirken wird. Obermeyer und Emanuel nennen aber noch ein Beispiel: Auch die Patienten-Organisationen dürften die Künstliche Intelligenz unterstützen, denn auch die Patienten dürfen sich viel davon erhoffen. «Algorithmen brauchen keinen Schlaf, und sie um 2 Uhr nachts genauso präzise wie um 9 Uhr in der Früh.»
«In der Astronomie sieben Algorithmen Millionen Teleskop-Bilder, um Galaxien zu klassifizieren und Supernovas zu finden», so der erwähnte Essai. «Die gleichen Methoden werden auch in der Medizin enorme neue Möglichkeiten eröffnen.»
Wozu noch eine Radiologie-Ausbildung?
«In 20 Jahren werden die Radiologen in der heutigen Form nicht einmal andeutungsweise mehr exisitieren. Vielleicht sehen sie eher wie Cyborgs aus: Sie überwachen Algorithmen, welche in der Minute tausende Studien verarbeiten können, und dann zoomen sie auf einen gewissen Aspekt, um zwiespältige Fälle zu beurteilen. Oder sie verwandeln sich in "Diagnostizierer" wie Dr. House, wobei sie wieder mehr hinausgehen und mehr Kontakt mit den Patienten haben, um diesen Kontakt in ihre diagnostischen Urteile einfliessen zu lassen.»
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