«Wir sind einzigartig – weil wir eine Lücke füllen»

Die Schweiz hat ein neues Zentrum für Medizinforschung: den Genolier Innovation Hub mit Anna Gräbner als CEO. Hier erklärt sie, wie Spitzen-Medtech und klinische Arbeit am Genfersee aufeinandertreffen.

, 27. September 2024 um 22:48
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Anna Gräbner, CEO des Genolier Innovation Hub  |  Bild: em
Es ist ein kühner halbrunder Bau, der künftig als «Hotel» für erfindungsreiche Unternehmen aus der Gesundheitsbranche dient. Der neue Genolier Innovation Hub thront auf einer Wiese über dem Genfersee.
Einem Hotel gleicht das Zentrum deshalb, weil sich die Med-Tech-Unternehmen, die sich im Zentrum einmieten, nur befristet bleiben sollen – nämlich für maximal fünf Jahre. Dann sollen sie wieder Platz machen, damit sich andere Firmen mit ihrer neusten Gesundheitsforschung niederlassen können – bis auch sie wieder Nachfolgern den Raum lassen, um im Hub ihre Erfindungen zur Praxisreife zu bringen.
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Bild: Olivier Maire / PD
An diesem Wochenende wir die Eröffnung gefeiert. In Genolier – zwischen Genf und Lausanne – werden ab jetzt bahnbrechende Ideen den Weg finden zu den Patienten, den Ärzten und Ärztinnen sowie in die Spitäler.
In diesem Feld habe es in der Schweiz bisher eine Lücke gegeben, sagt Anna Gräbner, CEO des Genolier Innovation Hub. Im Interview mit Medinside erläutert die junge Chefin, wer im Hub erwartet wird – und was so speziell ist am neuen Zentrum.
Wie viele Unternehmen haben sich schon einen Platz im Genolier-Innovation-Hub gesichert?
Anna Gräbner: Drei Firmen sind schon mal offiziell. Und mit zehn bis fünfzehn weiteren kommen wir wohl bald zu einem Abschluss. Es wird auch nie eine fixe Anzahl Unternehmen bei uns geben. Die Zahl hängt davon ab, wie viel Platz die einzelnen Unternehmen brauchen.
Zwei wichtige Firmen haben Sie bereits…
… ja, wir haben zwei grosse amerikanische Medizintechnik-Konzerne: die Firma Accuray, die Geräte für Strahlentherapie herstellt, und General Electric Healthcare.
Müssen diese Unternehmen auch wie die anderen spätestens nach fünf Jahren wieder anderen Platz machen?
Accuray ist die einzige Ausnahme. Wir haben speziell für diese Firmen strahlensichere Räume gebaut. Und weil sich solche Räume nicht so schnell umnutzen lassen, bleibt Accuray für elf Jahre. Dafür ist vereinbart, dass Accuray bei uns immer nur die neusten Verfahren anwendet, die noch nicht auf dem Markt sind. So dass wir die ersten sind, die das haben werden.
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Bild: Olivier Maire / PD
Der Genolier Innovation Hub kostete 100 Millionen Franken. Woher kommt das Geld?
Von Aevis Victoria. Sie trägt das ganze Projekt.
Was ist von den weiteren Plänen bereits konkret?
Wir arbeiteten von Anfang mit der ETH Zürich und der EPF Lausanne zusammen. Dass bei uns gelehrt wird, ist uns besonders wichtig. Auch Johnson & Johnson bietet bei uns Weiterbildungen für Ärzte und für Unternehmen an. Dann haben wir auch IRCAD bei uns, ein Institut aus Strassburg, wo sich über 8000 Chirurgen pro Jahr zu Krebserkrankungen des Verdauungsapparats weiterbilden. Diese Chirurgen erhalten bei uns den letzten Schritt ihrer Schulung: nämlich, dass sie nicht mehr an Tieren oder Spenderkörpern operieren, sondern real – dies aber, ohne die normalen Operationen zu stören. Das heisst, dass die normalen Eingriffe in der Klinik Genolier nicht von Ausbildungs-Operationen gestört werden.
Und wie machen Sie das?
Wir haben einen eigenen Operationssaal, der nur für die Eingriffe zur Ausbildungszwecken da ist.
Anna Gräbner, 31, war ab Beginn am Entstehen des Genolier-Innovation-Hubs beteiligt. Sie begann dort als Projektmanagerin und wurde später zur CEO ernannt.
Auch der Sitem Insel startete mit grossen Vorhaben, ist bisher aber nicht gerade ein Erfolgsbeispiel. Was ist im Genolier Innovation Hub anders?
Das ist nicht zu vergleichen. Sitem steht auf einem sehr grossen Campus. Wir sind hingegen völlig unabhängig – und auch einzigartig. Denn wir füllen die Lücke zwischen der Förderung von Jungunternehmen und den Kliniken.
Was könnte im Genolier Innovation Hub neu entwickelt werden?
Zum Beispiel der Operationssaal der Zukunft. Oder eine Mammographie, welche die Patientinnen weniger belastet. Wir wollen keine Dinge entwickeln, die niemand braucht, sondern Lösungen für Probleme, die tatsächlich existieren.
Der Hub selber ist keine Klinik. Aber die Klinik Genolier liegt gleich in der Nachbarschaft. Sind die Patienten dort die Versuchskaninchen für den Hub?
Nein, auf keinen Fall. Die Patienten können völlig frei entscheiden, ob sie sich im Hub zu Forschungszwecken behandeln lassen wollen. Wir wenden klare Regeln zum Patienten-Einverständnis an.
«Wir wollen keine Dinge entwickeln, die niemand braucht, sondern Lösungen für Probleme, die tatsächlich existieren.»
Können Sie sich vorstellen, dass dereinst Patienten in die Klinik Genolier kommen, um von den neuesten Ideen des Hubs zu profitieren?
Genau. Wir haben schon jetzt viele Patienten, die aus dem Ausland kommen. Und zwar weil sie wissen, dass die Klinik offen für die Zusammenarbeit mit internationalen Experten ist. Es wäre durchaus vorstellbar, dass ein renommierter Handchirurg aus den USA unser Haus besucht, um seine Erfahrung bei einem speziellen Fall einzubringen. Diese Art der Kooperation würde es unseren Chirurgen hier ermöglichen, von technischem Rat oder Unterstützung zu profitieren, während sie ihr eigenes Wissen teilen in einem Umfeld, das mit modernsten Einrichtungen ausgestattet ist, zum Wohl der Patienten.
Es tönt alles sehr teuer. Aber im Gesundheitswesen ist Sparen angesagt. Wie passt das zusammen? Wer soll letztlich die Forschung im Hub bezahlen?
Heute ist es Aevis Victoria. Dank unserer Zusammenarbeit mit internationalen Fachleuten profitieren wir von einer Diversifizierung der Finanzierungsquellen, was uns zuversichtlich in die Zukunft blicken lässt, was die benötigten Mittel für unsere Forschung und Innovationen betrifft.

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