Genügend Pflegepersonal, angemessener Lohn oder die direkte Abrechnung über die Krankenkasse: Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) berät dieser Tage ihren
indirekten Gegenvorschlag für die Pflegeinitiative. Der Bundesrat hat die Initiative im letzten November ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen.
Nun schaltet sich Santésuisse in die Debatte ein und warnt vor hohen Mehrkosten: Der Krankenkassenverband fürchtet, dass das Parlament unter dem Druck der Initiative ein reines Wunschkonzert abhalte – ohne die finanziellen Folgen im Blick zu haben. Dies sagt Direktorin Verena Nold zur «Neuen Zürcher Zeitung».
Es könne schnell sehr teuer werden
Auf die Schweiz kämen in absehbarer Zeit Mehrkosten von über 5 Milliarden Franken pro Jahr zu, behauptet Santésuisse. Und dies unabhängig davon, ob die Initiative umgesetzt würde oder der Gegenvorschlag in der aktuell diskutierten Form. Das Berechnungsmodell vom Krankenkassenverband setzt sich zusammen aus:
- Die demographische Entwicklung benötige 30'000 Pflegende zusätzlich, was die Lohnkosten um rund 2,7 Milliarden Franken jährlich steigen lasse, unabhängig von der Pflegeinitiative.
- Erhöhung durch eine Steigerung der Attraktivität über Einkommenserhöhung sowie Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf: 3,5 Milliarden Franken pro Jahr.
- Befürchtete Mengenausweitung: 1,6 Milliarden Franken jährlich.
- Ausbildungsoffensive etwa zur nächsthöheren Stufe: 300 Millionen Franken.
Unabhängige Untersuchung soll es zeigen
Yvonne Ribi vom Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer (SBK) sagt zwar der Zeitung, dass die demographische Entwicklung mehr Pflegeleistungen notwendig mache. Dies führe zu Mehrkosten. Doch die vom Krankenkassenverband genannten Zahlen beruhten jedoch auf «populistischen, unseriösen Schätzungen».
Anstatt konstruktive Vorschläge gegen den Fachkräftemangel auszuarbeiten, würden die Versicherer reine Polemik verbreiten, so Ribi weiter. «Santésuisse scheint einzig das Ziel zu haben, die Pflegeinitiative zu diskreditieren».
Zum Glück seien die Zahlen so hoch, dass jeder Laie merke, dass sie aus der Luft gegriffen und falsch seien. Ribi würde es zudem begrüssen, wenn das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gäbe.
Bedingungen in der Pflege sind doch gut
Für Santésuisse sind die Bedingungen für die Pflege in der Schweiz zudem vergleichsweise gut. Deshalb drängt sich laut Santésuisse-Direktorin Verena Nold auch kein Ausbau auf. Internationale Umfragen besagen etwa, dass sich die hiesigen Pflegenden um deutlich weniger Patienten pro Schicht kümmern müssten als ihre Kolleginnen in Deutschland oder Spanien.
Die Behauptung, die Rahmenbedingungen für den Pflegeberuf seien heute schon attraktiv genug, hält Ribi für falsch. Sie verweist im Beitrag der NZZ auf die tiefen Ausbildungszahlen und die «viel zu tiefe» Verweildauer im Beruf von durchschnittlich 15 Jahren. Zudem beurteilt sie es als nicht nachhaltig, die Lücken mit ausländischem Personal zu füllen. Auch die Gefahr einer Mengenausweitung sieht die SBK-Geschäftsführerin bei entsprechender Kontrolle ebenfalls nicht.