Er habe weniger Patienten als andere; zudem seien sie eher älter und daher kostenintensiv. Und da er als Pensionierter mehr Zeit für seine Patienten nähme, sei halt alles teurer. Etwa so versuchte ein Arzt aus der Agglomeration Bern die überrissenen Arztrechnungen zu rechtfertigen.
Das Schiedsgericht ging nicht darauf ein. Der Arzt muss laut
«Berner Zeitung» den Krankenkassen gegen 120'000 Franken zurückerstatten. Für das Jahr 2013 sind es 72'750 Franken, für 2014 sind es 45'689 Franken. Dazu kommen rund 18'000 Franken Verfahrens- und Parteikosten.
Santésuisse hatte das Verfahren eingeleitet und das Schiedsgericht angerufen. Aufgrund der Daten seiner Mitglieder musste der Verband feststellen, dass die vom Arzt in Rechnung gestellten Kosten im Vergleich zu anderen Ärzten deutlich über dem Toleranzwert von 130 Prozent liegen.
Der Arzt belegt Überarztung
«Ein Arzt kann sich den ungenügenden wirtschaftlichen Erfolg nicht über die obligatorische Krankenversicherung ausfinanzieren lassen», heisst es im Gerichtsurteil. Und wenn er sich freiwillig mehr Zeit nehme als erlaubt, so belege er selber die Überarztung.
Damit nicht genug: Der Arzt gab laut Urteil etliche Medikamente gleich selber ab und stellte keine Rezepte aus. Das hätte er laut kantonalem Recht gar nicht tun dürfen, weil sich in der Umgebung Apotheken befinden.
«Lukrative Selbstdispensation»
Bei dieser «lukrativen Selbstdispensation» lag der Mann «weit über dem Durchschnitt» – erneut ausserhalb der Toleranz. Es liege keine Praxisbesonderheit vor, so das Schiedsgericht, sondern ein «von ökonomischen Interessen geleiteter Entscheid».
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es wird aber wegen der rechtswidrigen Medikamentenabgabe auch noch dem Kantonsarzt zugestellt. Laut der «Berner Zeitung» droht dem Arzt nun auch eine Busse wegen der Verletzung seiner beruflichen Pflichten.
Der Berner Arzt ist nicht der teuerste
Wie oft kommt es vor, dass Ärzte wegen zu hoher Kosten zur Kasse gebeten werden? «Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung wurden 2014 ein Verfahren gegen 75 Ärzte eingeleitet ─ entweder vor einer paritätischen Kommission oder vor einem Gericht», erklärt Santésuisse auf Anfrage.
Dies sind rund 0,3 Prozent der mehr als 20‘000 Ärzte, die registriert sind und die zulasten der obligatorischen Krankenversicherungen abrechnen dürfen. Mit 24 Ärzten hat sich Santésuisse auf Rückzahlungsforderungen geeinigt. Der Kassenverband schätzt, dass sich damit jährlich rund 25 Millionen Franken an Prämiengeldern einsparen lassen.
Bis 2 Millionen Franken
Die 120'000 Franken, die der Berner Arzt den Krankenkassen zurückzahlen sollte, gehört schon zu den teureren Fällen – aber nicht zu den teuersten.
Ein Arzt aus dem Seeland, der die Krankenkassen während Jahren übervorteilt hatte, schuldet den Krankenkassen 2 Millionen Franken. Und ein Augenarzt aus der Ostschweiz musste vor ein paar Monaten den Krankenversicherern 545‘000 Franken zurückzahlen.