Die Renditen der Schweizer Spitäler liegen tief im Keller: Fünf der rund 30 grossen Schweizer Spitäler haben sogar eine negative EBITDA-Marge, wie eine
Auswertung von Medinside zeigt.
In der Tabelle ist deutlich zu sehen, dass die Spitäler letztes Jahr mit wenigen Ausnahmen ihre EBITDA-Marge verschlechtert haben, und zwar unabhängig davon, ob sie im Vorjahr noch gut oder bereits schlecht war.
Quelle: Angaben der Spitäler, Grafik: em
Was sagt ein Fachmann zu den Zahlen? Martin Bienlein ist Berater im Gesundheits- und Sozialwesen. Bis vor zwei Jahren leitete er den Geschäftsbereich Politik des Spitalverbands Hplus. Er sagt gegenüber Medinside, was er von den Zahlen hält:
Herr Bienlein, überraschen Sie diese Zahlen?
Die Ausgangslage 2019 erstaunt mich nicht. Schon damals schafften es die meisten Spitäler nicht, für eine längerfristige Eigenfinanzierung zu sorgen. Obwohl das Gesetz genau das vorsähe. Die vielen zu niedrigen EBITDA-Margen sind auch ein Zeichen dafür, dass die Kantone ihre Spitäler nicht loslassen – oder nicht loslassen können, weil die Spitäler gar nicht in der Lage sind, selber für ihre Finanzierung sorgen können. Was mich aber überrascht, ist die Entwicklung von 2019 zu 2020: Da habe ich erwartet, dass die Spitäler mit einer höheren EBITDA-Marge die Krise besser meistern würden. Das haben sie – zumindest in der Buchhaltung – nicht. Ich hatte angenommen, dass die besser gestellten Spitäler ihre Prozesse besser im Griff hätten und in der Krise rascher umstellen könnten. Dem ist nicht so.
Auffällig ist, dass neben der Privatklinikgruppe Hirslanden nur ein Spital die von PWC geforderte Minimalmarge von 10 Prozent erreicht. Ist das beängstigend?
2020 war ein spezielles Jahr. Die guten Leistungen konnten nicht in ein Halten oder Verbessern der EBTDA-Marge umgesetzt werden. Nur drei Spitäler konnten letztes Jahr ihre EBITDA-Marge verbessern, obwohl die meisten eine zu niedrige EBITDA-Marge haben, um sich selbst zu finanzieren.
Und warum wirtschaftet Hirslanden besser als die anderen Spitäler?
Hirslanden ist ein Investitionsvehikel. Die müssen gute Finanzzahlen haben, sonst werden sie verkauft. Eine unrentable Tochter ist für südafrikanische Muttergesellschaft Mediclinic nicht interessant. Sicher gehören die Hirslanden-Kliniken zu jenen Spitälern, die sich der Krise erfolgreich angepasst haben.
Wie müssen extreme «Taucher» wie jener des Kantonsspitals Graubünden von 10,7 % im Jahr 2019 auf 3,7% in diesem Jahr interpretiert werden?
Eine Interpretation lässt sich aus diesen groben Kennzahlen, die ja mehr als Vergleichszahlen dienen, nicht herauslesen. Doch schaut man den Jahresbericht und die Jahresrechnung an, zeigt sich Folgendes: Hauptindikator für den Taucher des Spitals ist ein Verlust von 1,3 Millionen Franken im Jahr 2020 im Vergleich zum Gewinn von 27,4 Millionen Franken im Vorjahr. Das Bündner Kantonsspital gibt ausserdem an, «der Personal- und Sachaufwand stieg aber um 26 Millionen Franken auf 352 Millionen». Das sind acht Prozent mehr Personal- und Sachaufwand - bei gleichbleibendem Umsatz. Und der Betrag entspricht fast der Differenz in der Jahresrechnung. Vielleicht musste das Kantonsspital wie andere Zentrumsspitäler auch mehr Covid-Lasten tragen als andere.
Fällt Ihnen eine andere Entwicklung auf?
Wie aussagekräftig die EBITDA-Marge in Zeiten der Krise ist, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls müssen sich die Spitäler in der Nach-Covid-19-Zeit mehr anstrengen, um eine bessere Selbstfinanzierung zu erhalten. Erst dann sind sie eigentlich vergleichbar und für den gesetzlich geforderten Wettbewerb bereit. Die EBITDA-Marge ist aber nur der Indikator für den Grad der Selbstfinanzierung. Neben den Finanzzahlen dürfen die Prozesse und die Qualität der Leistungen nicht vergessen werden.
So hat Medinside die Daten erhoben:
Die Tabelle zeigt die EBITDA-Marge von 29 grossen Spitälern der Schweiz, welche mindestens 13 000 Patienten pro Jahr behandeln. Die EBITDA-Marge ist eine Kennzahl dafür, wie profitabel ein Unternehmen ist. Sie wird auch Umsatzrendite genannt.
Eine hohe Umsatzrendite zeigt, dass ein Spital vergleichsweise geringe Kosten hat, um den Betrieb am Laufen zu halten.
In der Tabelle beziehen sich die Zahlen des Kantonsspitals Zug, des Universitätsspitals Basel und der Solothurner Spitäler auf die EBITDAR-Marge. Diese drei Spitäler mieten ihre Liegenschaften und ziehen deshalb bei der Berechnung der Umsatzrendite auch die Mietkosten von den Ausgaben ab. Die meisten Schweizer Spitäler sind allerdings Eigentümer ihrer Liegenschaften.