Die FMH-Gutachterstelle hat letztes Jahr in 29 Fällen Diagnose- oder Behandlungsfehler festgestellt. In 38 weiteren untersuchten Fällen wurde kein Fehler gefunden. Dies geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten
Jahresbericht der Gutachterstelle hervor.
Die Fehleranerkennungsquote liegt im Jahr 2015 somit bei 43,3 Prozent; zu beachten ist allerdings, dass damit noch keine Kausalität zwischen dem erkannten Fehler und einem eingetretenen Schaden bestehen muss.
Für das Jahr 2014 lag diese Zahl bei 44,2 Prozent. Zwischen 1982 und 2015 anerkannten die FMH-Gutachter in 34,2 Prozent aller Gutachten einen Fehler.
Ungenügende Aufklärung in neun Fällen
In 40 Prozent der 2015 beurteilten Fälle ging es ausschliesslich um Behandlungen durch Ärzte in der Privatpraxis. Bei den übrigen Fällen ging es entweder ausschliesslich um die Begutachtung von Spitalbehandlungen oder von Behandlungen in beiden Institutionen.
Im Jahr 2015 haben die Gutachter zudem in neun Fällen, in denen kein Diagnose- oder Behandlungsfehler begangen wurde, eine ungenügende Aufklärung festgestellt, heisst es.
Ein Gutachten dauert zwischen 14 bis 18 Monate. Oftmals sei es allerdings schwierig, den Einfluss einer einzigen Ursache – etwa eines Diagnose- oder Behandlungsfehlers – auf das unbefriedigende Gesamtergebnis zu bestimmen. Das führt dann zu unbestimmten Fällen.
Aufschlüsselung nach Fachgebiet 1982 - 2015
(mit Fehleranerkennungsquote)
- Chirurgie: 851 Gutachten, davon 35,2 Prozent bejaht (unbestimmt: 3,1 Prozent)
- Orthopädische Chirurgie: 714 Gutachten, davon 37,8 Prozent bejaht (unbestimmt: 2,1 Prozent)
- Gynäkologie und Geburtshilfe: 467 Gutachten, davon 38,1 Prozent bejaht (unbestimmt: 1,7 Prozent)
- Allgemeinmedizin: 246 Gutachten, davon 36,9 Prozent bejaht (unbestimmt: 4,0 Prozent)
- Innere Medizin: 237 Gutachten, davon 34,2 Prozent bejaht (unbestimmt: 1,68 Prozent)
- Ophthalmologie: 145 Gutachten, davon 30,3 Prozent bejaht (unbestimmt: 4,1 Prozent)
- Plastische und Wiederherstellungschirurgie: 130 Gutachten, davon 21,5 Prozent bejaht (unbestimmt: 1,5 Prozent)
- Oto-Rhino-Laryngologie (ORL): 123 Gutachten, davon 24,4 Prozent bejaht (unbestimmt: 3,2 Prozent)
- Anästhesiologie: 123 Gutachten, davon 31,7 Prozent bejaht (unbestimmt: 2,4 Prozent)
- Neurochirurgie: 105 Gutachten, davon 31,4 Prozent bejaht (unbestimmt: 1,9 Prozent)
- Urologie :80 Gutachten, davon 15,0 Prozent bejaht (unbestimmt: 3,8 Prozent)
- Pädiatrie: 72 Gutachten, davon 41,7 Prozent bejaht (unbestimmt: 4,1 Prozent)
- Handchirurgie: 61 Gutachten, davon 34,4 Prozent bejaht (unbestimmt: 3,3 Prozent)
- Radiologie: 56 Gutachten, davon 25,0 Prozent bejaht (unbestimmt: 5,3 Prozent)
- Dermatologie: 30 Gutachten, davon 30,0 Prozent bejaht (unbestimmt: 6,6 Prozent)
- Herz- und thorakale Gefässchirurgie: 28 Gutachten, davon 32,1 Prozent bejaht (unbestimmt: 3,6 Prozent)
- Neurologie: 26 Gutachten, davon 26,9 Prozent bejaht (unbestimmt: 3,8 Prozent)
- Kieferchirurgie: 24 Gutachten, davon 12,5 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Kardiologie: 23 Gutachten, davon 8,7 Prozent bejaht (unbestimmt: 4,4 Prozent)
- Kinderchirurgie: 24 Gutachten, davon 12,5 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Rheumatologie: 18 Gutachten, davon 33,4 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Gastroenterologie: 17 Gutachten, davon 23,5 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Psychiatrie: 17 Gutachten, davon 41,2 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Physikalische Medizin und Rehabilitation: 13 Gutachten, davon 23,0 Prozent bejaht (unbestimmt: 7,6 Prozent)
- Onkologie: 9 Gutachten, davon 44,4 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Pathologie: 6 Gutachten, davon 66,7 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Pneumologie: 3 Gutachten, davon 66,7 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Pharmakologie: 2 Gutachten, davon 100 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Nephrologie: 2 Gutachten, davon 0 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Kinderpsychiatrie: 1 Gutachten, davon 0 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Radio-Onkologie: 1 Gutachten, davon 100 Prozent bejaht (unbestimmt: –)
- Total 1982 - 2015: 3644 Gutachten, davon 34,2 Prozent bejaht (unbestimmt: 2,7 Prozent)
Zahlen sind kaum repräsentativ
Die FMH weist allerdings darauf hin, dass die oben aufgeführten Zahlen lediglich die Tätigkeit der FMH-Gutachterstelle zeige. Hinzu kommen anderweitig zahlreiche private Gutachten.
Aufgrund der geringen Datenbasis und der fehlenden Vergleichswerte seien die FMH-Zahlen für die Spital- und Arzthaftpflichtsituation in der Schweiz «kaum repräsentativ».
«Insbesondere wäre es nicht zulässig, auf der Grundlage dieser Statistik Hochrechnungen betreffend die Fehlerhäufigkeit in den verschiedenen Fachgebieten oder allgemein in der Medizin für die Schweiz anzustellen», schreibt Rechtsanwältin Valérie Rothhardt, die Leiterin der FMH-Gutachterstelle.