Kampf gegen Malaria: Schweizer Unis wecken grosse Hoffnungen

Mediziner und Mikrobiologen aus Genf und Bern melden einen neuen Ansatz, mit dem der Malariaparasit besser blockiert werden soll. Die Einsichten könnten auch im Kampf gegen andere Parasiten helfen.

, 27. Oktober 2017 um 07:04
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Der Malaria-Erreger Plasmodium falciparum tötet über 500'000 Menschen pro Jahr. Es gibt zwar medikamentöse Behandlungen, aber grundsätzlich sind die Erfolge im Kampf gegen Malaria begrenzt. Forschende der Universitäten von Bern und Genf wecken nun neue Hoffnung: Sie identifizierten zwei für die Verbreitung des Parasiten wichtige Proteasen, also Enzyme, die Proteine spalten können; und sie fanden ein Molekül, das den Parasiten hemmen kann.
In einer gemeinsamen Mitteilung äussern die beiden Schweizer Universitäten die Hoffnung, dass diese Entdeckung zur Entwicklung neuer Medikamente führen könnte; diese Mittel würden dereinst nicht nur das Parasitenwachstum im Menschen hemmen, sondern auch die Übertragung vom Menschen zum Moskito und umgekehrt. 


Ein Problem der herkömmlichen Mittel gegen Malaria liegt darin, dass sich die Wirkung auf eine bestimmte Entwicklungsphase des Parasiten beschränkt – und dass sie die Übertragung der Krankheit nicht hemmen. Menschen in den tropischen Übertragungsgebieten entwickeln eine Semi-Immunität: Wenn sie sich mit dem Parasiten infizieren, sind die Symptome der Erkrankung schwächer. Wenn sie dann wieder von einem Moskito gestochen werden, können sie zum Überträger werden.
Um Malaria auszurotten, ist es also zwingend, den Parasiten bereits in den Formen zu bekämpfen, die für die Übertragung an Moskitos verantwortlich sind, sowie die Formen in der Leber (der Parasit nistet sich zunächst in der Leber ein, bevor er in die Blutzellen eindringen kann). 


Unter der Leitung von Dominique Soldati-Favre, Mikrobiologin an der Universität Genf, entdeckte ein Forscherteam neue Angriffspunkte bei Plasmodien, einzelligen Parasiten. Diese können nur überleben und sich ausbreiten, wenn sie Wirtszellen befallen und diese wieder verlassen. Die Forscher fanden heraus, dass zwei dieser Enzyme für den Parasitenbefall und den Austritt aus infizierten Wirtszellen entscheidend sind. «Hemmt man sie, bleibt der Parasit in der Wirtszelle gefangen und geht zugrunde», so Dominique Soldati-Favre.
Eine der beiden Proteasen, die von den Genfer Wissenschaftlern identifiziert wurde, hilft dem Parasiten beim Eindringen in die Wirtszelle und bei seiner Freisetzung daraus. Die zweite wirkt dagegen auf sogenannte Adhäsine, die beim Anhaften an die Oberfläche der Wirtszelle helfen und für die Invasion notwendig sind. Beide Proteasen sind daher Schlüsselelemente für das Überleben und die Verbreitung der Plasmodien.

Angriff in mehreren Stadien gleichzeitig

«Plasmodien durchlaufen einen komplizierten Lebenszyklus und treffen auf verschiedene Wirtszellen, sei es im Blut, in der Leber oder auch im Mückendarm. Erstaunlicherweise nutzt der Parasit für den Befall und den Austritt aus diesen Zellen jeweils dieselben beiden Aspartat- Proteasen», sagt Volker Heussler, Professor am Institut für Zellbiologie der Uni Bern; er ist Co-Autor der Studie. «Indem wir den Parasiten in mehreren Stadien gleichzeitig angreifen können, hoffen wir nicht nur, die Infektion des Menschen bekämpfen zu können, sondern auch die Übertragung auf Moskitos zu blockieren, was für die Kontrolle der Krankheit unabdingbar ist.»
Nach den heutigen Erkenntnissen des Teams um Dominique Soldati-Favre sind diese Inhibitoren sehr interessant: «Tatsächlich fanden wir ein Molekül, das sehr effizient beide von uns identifizierten Parasitenproteasen hemmt», sagt der Genfer Professor Mathieu Brochet. 

«Keine Resistenzbildung»

Und Dominique Soldati-Favre sagt: «Bei unseren Versuchen konnten wir keine Resistenzbildung der Parasiten gegen diese Proteaseinhibitoren feststellen. Damit umgehen wir womöglich eine der grössten Herausforderungen im Kampf gegen die Malaria.»
Ist damit ein Wendepunkt im Kampf gegen Malaria erreicht? Entscheidend wird, dass die Erkenntnisse der Studie in einem therapeutischen Ansatz umgesetzt werden, der zu den betroffenen Ländern passt.
Aber die Ergebnisse könnten auch für die generelle Parasitenbekämpfung relevant sein: Plasmodien haben ein grosses Wirtsspektrum – ob Menschen, Nutz- oder Haustiere. Und der beschriebene Mechanismus scheint bei anderen Parasiten ebenfalls wirksam zu sein.
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