Kein Mut zum Risiko: Lautere Kritik an der Rundum-Medizin

Das Thema Überversorgung schafft es heute aufs Titelblatt des «Blick»: «Ärzte machen aus Gesunden Kranke», so die Schlagzeile. Weil Krankheits-Risiken überschätzt werden, ordneten die Mediziner oft sinnlose Behandlungen an.

, 18. November 2015 um 12:00
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Basis des Artikels ist ein Editorial im «British Journal of Sports Medicine»: Darin ging Teppo Järvinen vom Universitätsklinikum Helsinki ganz grundsätzlich der Frage nach, wie die Medizinwelt heutzutage dem Risiko umgeht.
Seine Erkenntnis: Die Ärzte und Ärztegesellschaften seien übervorsichtig geworden. So werde zunehmend nur schon das Risiko, eine Krankheit zu erleiden, behandelt wie die Krankheit selbst. 
Weiter würden viele Ärzte schlicht die Prozentangaben falsch verstehen – ein Phänomen, das bekanntlich auch in der Berichterstattung über medizinische Studien oft zu verwirrenden Schlagzeilen führt. 
Drittens würden die Empfehlungen – sicherheitshalber – oft bedenklich weit gefasst. 

Wenn 93 Prozent gefährdet sind

Dazu bringt Järvinen tatsächlich ein eindrückliches Beispiel, nämlich die jüngsten Prophylaxe-Empfehlungen der National Osteoporosis Foundation der USA: Danach sollen jene Personen medikamentös unterstützt werden, bei denen das Risiko eines Hüft-Bruchs im Verlauf der nächsten zehn Jahre bei drei oder mehr Prozent liegt. Wie der finnische Klinikarzt kurzerhand ausgerechnet hat, würden über 70 Prozent der weissen Amerikanerinnen über 65 und 93 Prozent der Frauen über 75 in diese Risikogruppe fallen.
Ähnliche Beispiele listet der Sports-Journal-Beitrag auch im Bereich der Ernährung auf – etwa bei Cholesterin-Werten, welche implizit praktisch alle älteren Leute zu Kranken erklären und viele gewöhnliche Lebensmittel zu Risikofaktoren umdeuten.
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Teppo Järvinen: «Labelling people as ‘High Risk’: A tyranny of eminence?», in: «British Journal of Sports», November 2015.

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