Patient vererbt Pflegerin sein Haus – und das ist okay

An einem Zürcher Spital ereignete sich ein interessanter Grenzfall im Verhältnis von Patient und medizinischem Personal.

, 11. September 2017 um 05:00
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Der Fall brachte es am Samstag ganz vorne auf den «Blick»: Unter der Schlagzeile «Patient tot, Krankenschwester reich» wurde ein happiges Spitaldrama versprochen. Auch die Online-Ankündigung war deutlich: «Spital-Skandal in Wetzikon ZH. Pflegerin erbt das Haus ihres Patienten».
Bei genauerem Hinsehen verbirgt sich dahinter ein recht interessanter Fall aus dem Zwischenbereich der Verhältnisses von Patient und medizinischem Personal. Der Ablauf, der sich am GZO Spital Wetzikon abspielte, passt jedenfalls nicht so einfach ins Skandalmuster, welches die Titel versprachen.
Zwar vererbte ein Krebspatient des Spitals tatsächlich einer dort tätigen Pflegefachfrau sein Haus, und sie wurde die Erbin der Immobilie in Rüti, nachdem der Mann im November 2015 im Alter von 67 Jahren gestorben war. Doch genau besehen hatte ihr der Mann das Haus bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt testamentarisch vermacht, nämlich im Jahr 2012.

«Langjährige persönliche Beziehung»

Die Pflegefachfrau und der Patient hatten sich 2010 kennengelernt, als er im Spital Zollikerberg regelmässig zur Dialyse musste – und sie dort arbeitete. Zwei Jahre später wechselte sie ans Spital in Wetzikon, und in dieser Phase entstand das Testament zu ihren Gunsten.
Der Mann wiederum gelangte dann drei Jahre später – ab Januar 2015 – als Patient ebenfalls nach Wetzikon. «Das GZO wurde erst nach dem Tod des Patienten über das Testament informiert», erklärte Spitalsprecherin Dorothe Kienast im «Blick». Auch das GZO-Spital kennt Regelungen, wonach das Personal von Patienten höchstens ganz kleine Zuwendungen annehmen darf; in diesem Fall aber habe die GZO-Leitung nichts gegen den Erbantritt der Angestellten einzuwenden. «Es gab eine langjährige persönliche Beziehung zwischen dem Patienten und der Pflegerin», sagt Dorothe Kienast.
Formal leuchtet dies ein: Die Frau hatte die Liegenschaft ja eben nicht als GZO-Pflegerin zugesprochen erhalten – das Spital müsste also einen Rechtsakt aus dem Jahr 2012 anfechten beziehungsweise ihrer Angestellten zum Vorwurf machen.
In der Darstellung des «Blick» wirken allenfalls einige Punkte im Ablauf etwas fraglich; zum Beispiel, dass die Spitalleitung nicht informiert worden war. Oder dass die Frau das Haus noch am gleichen Tag verkaufte, an dem es auf ihren Namen übertragen wurde.

«Lockvogel»

Dennoch: In den Kommentarspalten des «Blick» zeigen die Leserinnen und Leser eher Verständnis für die Pflegerin beziehungsweise für den Vorgang. «Wenn der Vertrag schon abgeschlossen und notariell beglaubigt war, bevor sie den neuen Job angetreten hat, ist aus meiner Sicht alles in Ordnung», heisst es etwa. «Warum sollte sich ein Patient nicht in einer Klinik behandeln lassen, in der eine Frau arbeitet, die er schon lange kennt und der er vertraut?»
Oder: «Lieber Blick, ich würde es begrüssen, wenn ihr, liebe Journalisten, den Begriff "Skandal" 50 Prozent weniger benützen würdet. In dieser Geschichte dient doch dieser Begriff nur als Lockvogel für möglichst viel "Klicks". Bei der beschriebenen langjahrigen Beziehung zwischen Schwester und Patient spricht doch gar nichts gegen diese Erbschaft, ausser niedriger und widriger Neid.»
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