Wer eine Stelle zu besetzen hat, empfängt die Bewerberinnen und Bewerber beim Vorstellungsgespräch mit einer Liste von ganz konkreten Fragen. Das beginnt oft mit: «Warum möchten Sie bei uns arbeiten?», und es endet mit: «Haben Sie selber noch Fragen?»
Was steckt dahinter – und zwar insbesondere im medizinischen Bereich? Diese Testfrage stellte nun der
«Guardian» in England: Diverse Personen an den Schaltstellen der Pflege-Rekrutierung sollten verraten, welche Fragen sie in Job-Interviews stellen. Was der Sinn dahinter ist. Und vor allem: Was man dann hören möchte. Hier interessante Fälle.
Warum wollen Sie diese Stelle?
Dies ist für Wendy Preston vom Royal College of Nursing jeweils die Eingangsfrage. Der Sinn dabei: Mann erkundigt sich noch ziemlich allgemein; also darf die Antwort ebenfalls noch breit sein und muss noch nicht allzu sehr ins Detail gehen. Aber die Kandidatinnen und Kandidaten sollten hier spüren lassen, was sie in die Pflege oder in dieses Fachgebiet brachte.
Warum glauben Sie, dass Sie gut sind in der Pflege – und wie können Sie das untermauern?
Diese Frage stellt Ann Duncan vom Royal Marsden Hospital in London. Die Überlegung hier: Die Antwort sagt viel aus über die Integrität und Ehrlichkeit der Kandidaten. Zugleich verrät sie etwas darüber, ob jemand Mut hat. Obendrein sollte sich darin zeigen, dass die Pflegefachleute auch Werten wie Zuwendung, Engagement, Kompetenz, Mut, Einsatz und Kommunikationsbereitschaft nachleben.
Wenn Sie feststellen, dass eine andere Pflegeperson ein Medikament unkorrekt verabreicht: Was tun Sie?
Dies ist für Ann Duncan vom Royal Marsden Hospital das Beispiel für eine Folgefrage, bei der allgemeine Einstellungen konkretisiert werden. Die Pflegechefin stellt danach meist auch noch weitere Fragen nach exakten Beispielen aus der Karriere der Kandidatin oder des Kandidaten. Die Antwort auf die Frage zeigt, ob die Person mit vorgeschriebenen Abläufen vertraut sind; und sie besagt zugleich etwas über die Einstellung und Haltungen – sowie allerhand über den Teamgeist.
Was bedeutet mitfühlende Pflege für Sie – und wie können Sie das leisten?
Diese Frage stellt Jo Thomas jeweils, der Pflegechef des Queen Victoria Hospital in Sussex. Denn bei jeder Stellenbesetzung geht es auch darum, Leute zu finden, denen die Pflege wirklich ein Anliegen ist – über die fachlichen Fähigkeiten hinaus. Pflege und Anteilnahme, so Thomas in der «Guardian»-Umfrage, müssen verknüpft sein.
Auch Ann Duncan vom Royal Marsden Hospital stellt solch eine Frage – aber mit umgekehrtem Vorzeichen: Hatten Sie eine Zeit, wo sie sich unfähig fühlten, anteilnehmende Pflege zu bieten? Daraus erfährt die Pflegechefin etwas über die Ehrlichkeit der Kandidatin oder des Kandidaten – und zugleich etwas über die Selbsteinschätzung.
Wie gingen Sie an ihren bisherigen Stellen mit Konflikten um?
Für Wendy Preston vom Royal College of Nursing verraten die Antworten hier, ob jemand bestimmte Konfliktlösungs-Strategien kennt und in der Lage ist, einen Konflikt zu de-eskalieren. Oder auch, ob sie erkennen kann, ab welchem Punkt jemand von einer höheren Hierarchiestufe hinzugezogen werden soll.
Was ist für Sie eine gute Schicht?
In der Darstellung von Ann Duncan ist das eine durchaus heikle Frage. Denn die Pflegechefin will beispielsweise nicht bei der Weisheit enden, dass eine hohe Besetzungsziffer immer die beste Lösung ist. Wer nach einer guten Schicht fragt, möchte etwas hören über sichere, effiziente Pflege und gute Dokumentation. Andererseits: Wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber etwas über die Bedeutung von Pausen sagt, so Ann Duncan, so sei dies durchaus auch gut.
Auf was sind Sie in ihrer bisherigen Karriere besonders stolz?
Idealerweise haben Kandidatinnen und Kandidaten hier Geschichten, in denen Sie für die Patienten über ihre Grenzen gingen. Diese Episoden erzählen dann auch etwas darüber, wie engagiert und mitfühlend jemand ist. Obendrein lasse sich damit noch etwas herauslesen, so Ann Duncan: nämlich ob jemand einen echten Stolz auf den Pflegeberuf empfindet.
Erzählen Sie uns von einem Fehler, mit dem Sie konfrontiert waren.
Der spannende Punkt dabei: Berichtet jemand nun über einen eigenen Fehler – oder über den Fehler einer anderen Person? Wenn jemand hier einen eigenen Fehler darlegt und auch aufzeigt, was er daraus gelernt hat, so sei dies durchaus gut, so Wendy Preston vom Royal College of Nursing. Die Frage dreht sich also nicht so sehr darum, ob jemand perfekt ist, sondern um Lernfähigkeit, Lernschritte – und um die Ehrlichkeit.