Prostatakrebs ist mit Abstand die häufigste Krebsart bei Männern: Gemäss Statistik der Krebsliga Schweiz hat er eine Inzidenz von rund 6400 Neuerkrankungen pro Jahr; das macht fast einem Drittel aller Krebserkrankungen aus. Aufgrund der guten Heilungschancen und bei einer rechtzeitig gestellten Diagnose, rangiert der Prostatakrebs in Bezug auf die Todesfälle mit 14 Prozent jedoch nur an zweiter Stelle aller Krebstoten.
Jetzt präsentiert ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Inselspitals, des Universitätsspitals Bern und der Universität Bern seine neusten Ergebnisse. Im Rahmen der sogenannten SAKK 09/10-Studie haben die Forscher Strahlungsdosen nach einer Prostataentfernung verglichen. Sie kommen zum Schluss, dass erhöhte Dosen keine Vorteile bezüglich der Verhinderung einer erneuten Krebsausdehnung bringen. Hingegen seien sie mit deutlichen Mehrbelastungen der Patienten verbunden. Nachfolgend die Details:
«Konventionelle» versus «gesteigerte» Dosis
Je nach Tumorstadium ist die Entfernung der Prostata (radikale Prostatektomie) eine Option mit guten Heilungschancen. Trotzdem kann es nach einer Prostataentfernung zu einem erneuten Tumorwachstum kommen. Damit dieses überwacht werden kann, wird nach der Operation regelmässig ein Bluttest durchgeführt.
Dabei werden die Biomarker für das Tumorwachstum erhoben. Bei Hinweisen auf eine erneute Tumoraktivität erfolgt meist eine Bestrahlung des Orts, wo zuvor die Prostata gelegen hatte. Gegenstand der vorliegenden Studie war genau diese «Salvage Radiotherapy» (SRT), also das nochmalige Ziel der Heilung. Dabei verglichen wurden die Behandlung mit einer «konventionellen» gegenüber einer «gesteigerten» Dosis.
Höhere Strahlendosis ohne Vorteil
Ältere, retrospektive Studien hatten Hinweise darauf gegeben, dass eine «gesteigerte» Strahlendosis zu besseren Resultaten führen könnte. Professor Daniel Aebersold, Letztautor der Studie, hält fest: «Diese Annahme wurde mit der SAKK 09/10-Studie klar widerlegt. Zwei zentrale Ergebnisse liegen nun vor: Erstens bringt eine erhöhte Strahlendosis keinen Vorteil bezüglich einer erneuten Tumoraktivität innert fünf Jahren. Zweitens gibt es nach einer intensiveren Bestrahlung mehr Nebenwirkungen im Darmbereich».
Professor Daniel Aebersold, Direktor und Chefarzt, Universitätsklinik für Radio-Onkologie, Inselspital, Universitätsspital Bern. (Insel Gruppe)
Weniger Darmbeschwerden
Die SAKK 09/10-Studie schloss 350 Patienten ein. Je 175 wurden mit konventioneller (64 Gy) bzw. mit gesteigerter (70 Gy) Bestrahlungsdosis behandelt. Ziel der Studie war es, die Überlegenheit einer erhöhten Strahlendosis in Bezug auf «Freedom From Biochemical Progression» (FFBP), also dem Ausbleiben einer erneuten Aktivität des Tumors innert fünf Jahren nach der Operation, zu belegen.
Die Nachbestrahlung bei Patienten mit operiertem Prostatakrebs zielt darauf ab, den Tumor definitiv zu beseitigen und zugleich die Beschwerden für Patienten so klein wie möglich zu halten. Die SAKK 09/10-Studie sehen die Forscher als einen weiteren wichtiger Meilenstein an: Denn die Ergebnisse der Phase 3-Studie können nun unmittelbar in die Behandlungskonzepte der Kliniken einfliessen.
Professor Aebersold: «Dank der Wahl der konventionellen Dosis müssen die Patienten nur an 32 statt an 35 Tagen bestrahlt werden. Das sieht auf den ersten Blick nach wenig aus. Aber praktisch bedeutet es eine Reduktion von Darmbeschwerden um die Hälfte. Das sind wichtige Vorteile für Patienten.»
Investitionen in neue Bildgebungsverfahren
Fertig geforscht ist jedoch nicht: Eine der Herausforderungen der weiteren Forschung besteht darin, die Tumoraktivität zu lokalisieren. Deshalb investieren das Inselspital, das Unispital Bern, die Universität Bern und sitem-insel derzeit intensiv in neue Bildgebungsverfahren und in deren AI-gestützte Auswertung, informiert die Insel-Gruppe.
Hier geht es zur Original-Publikation.
Bei Hinweisen auf eine erneute Tumoraktivität nach einer erfolgten Prostataentfernung, wird meist eine Bestrahlung des Orts, wo zuvor die Prostata gelegen hatte, vorgenommen. Rote Linie: Zielvolumen für die Betrahlung. Gelbe Linie: Harnblase. Farbige Fläche (von Blau bis Orange): Abstufung der Bestrahlungsdosis (Bild: Insel Gruppe)