Studie zeigt: Ärzteranglisten erhöhen Burnout-Risiko

Unternehmen vergleichen gerne die Leistungen ihrer Mitarbeitenden und erstellen Rankings. Vorsicht: Bei der Ärzteschaft beeinflussen solche Vergleiche das Wohlbefinden, wie eine Studie zeigt.

, 26. Juli 2022 um 06:00
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Ein Vergleich der Leistungen mit sogenannten Peers kann zwar helfen, die Produktivität von Mitarbeitenden zu steigern oder innerhalb der Ärzteschaft die übermässige Verschreibung von Antibiotika einzudämmen. Anderseits deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass solche Vergleiche auch entmutigend sein können. Nun liegt erstmals eine solche Erhebung mit Ärztinnen und Ärzten vor.
Ernüchternd ist die Schlussfolgerung, dass Vergleiche mit Kolleginnen und Kollegen keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Arbeitsleistung haben. Dies geht aus einer in der Fachzeitschrift «PNAS» publizierten Studie hervor. 
An der Analyse teilgenommen haben rund 200 Ärztinnen und Ärzte aus den USA, die auf Innere Medizin, Geriatrie oder Hausarztmedizin spezialisiert sind. Die Leistung wurde etwa gemessen, indem die Mediziner Informationen erhielten, wie sie bei Vorsorgemassnahmen im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen abschnitten. Analysiert wurden beispielsweise die Quote der tatsächlich durchgeführten Präventionsempfehlungen bei rund 47'000 Patientinnen und Patienten.

Vergleiche scheinen eher kontraproduktiv zu sein

Die studienteilnehmenden Ärztinnen und Ärzte erhielten in den jeweiligen monatlichen E-Mails motivierende Worte wie «Herzlichen Glückwunsch! Sie sind ein Top-25-Arzt» oder «Sie sind ein High-Performer». Solche mit tieferen Erfolgsquoten erhielten die Information, dass «die Mehrheit der Ärzte» besser abgeschnitten hätten.
Die Studienautoren beobachteten nicht nur keine verbesserte Arbeitsleitung, sondern auch einen unerwartet negativen Effekt. Denn die Vergleiche verringerten die Arbeitszufriedenheit und erhöhten gleichzeitig das Burnout-Risiko. Die nachteilige Wirkung auf die Arbeitszufriedenheit hielt mindestens vier Monate nach Beendigung der Vergleiche an.
Diesen psychologischen Prozess sollten Spitaldirektoren oder Qualitätsmanager bei Rankings und Vergleiche unbedingt berücksichtigen, da immer mehr Ärztinnen und Ärzten über Burnout berichten. Dies ist bekanntlich gleichzeitig mit hoher Fluktuation, verminderter Arbeitsleistung, erhöhtem Substanzmissbrauch und höheren Suizidraten verbunden.
Joseph S. Reiff et al. «When peer comparison information harms physician well-being», in: «Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America». Juli 2022
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