Urs Stoffel: «Der Bundesrat missbraucht die Tarifstruktur»

Alain Bersets Tarifeingriff hat das Ziel verfehlt: Insbesondere für die Hausärzte ist der neue Tarmed «kontraproduktiv», sagt FMH-Vorstandsmitglied Urs Stoffel.

, 1. März 2018 um 08:55
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Tendenziell sollte die Tarifrevision ja auch eher die Hausärzte zu stärken und die Spezialärzte eher zu dämpfen. Das war jedenfalls das Ziel und die Botschaft von Bundesrat Alain Berset sowie dem Bundesamt für Gesundheit (BAG). Doch die Änderungen sind für die Hausärzte «kontraproduktiv», wie FMH-Vorstandsmitglied Urs Stoffel in der aktuellen Ausgabe der «Weltwoche» erklärt.
Die Absicht des Gesundheitsministers sei es gewesen, die Hausärzte durch die Einebnung der sogenannten Dignität – der fachlichen Qualifikation zur Erbringung bestimmter medizinischer Leistungen – besserzustellen. Doch das Stimmungsbild gerade auch bei den Hausärzten sei eher, dass die negativen Auswirkungen der neuen Limitationen in der Tarifstruktur überwögen, so Stoffel weiter.

Warum die Tarifänderung letztlich zu Mehrkosten führt

Die kontrakproduktive Wirkung zeigt sich laut Stoffel darin, dass die Ärzte die enger bemessenen Tarife (Beispiel unten) heute korrekt, aber viel akribischer anwenden als früher.
Unter diesem Druck herrsche die Haltung vor, beispielsweise jedes noch so kurze Telefonat peinlich genau zu verrechnen – was man früher nicht unbedingt getan habe. Und genau dies führt Stoffel zufolge «letztlich zu Mehrkosten».
«Der Bundesrat missbrauche die Tarifstruktur, um Leistungen zu beschränken», zitiert ihn die «Weltwoche» weiter. Tarifexperte und Arzt Urs Stoffel spricht von einer «impliziten Rationierung». Das sei «nicht rechtens».

Ärzte sind verunsichert: Täglich bis zu 50 Mails

Die praktische Umsetzung des Tarifeingriffs führt ferner zu grossen Informationsbedarf der FMH-Mitglieder. Im Januar 2018 wurden die Ressourcen der FMH-Tarif-Hotline verdreifacht, wie Stoffel in der aktuellen Ausgabe der «Schweizerischen Ärztezeitung» schreibt. 
Alleine im Januar erreichten die FMH durchschnittlich 45 bis 50 Mails pro Tag mit Anfragen und rund 650 telefonische Anfragen. Insbesondere die vom Bundesrat verordneten neuen Limitationen und die komplizierten Änderungen der Abrechnungsregeln führten zu einer grossen Verunsicherung und vielen Unklarheiten. 
Darüber hinaus gab es – wie zu erwarten war – in der Datenbank des BAG und im Browser viele Fehler, die das BAG beheben und korrigieren muss.
Beispiel: «Ärztliche Leistung in Abwesenheit des Patienten»
Urs Stoffel nennt im Beitrag der «Weltwoche» das Beispiel der «Ärztlichen Leistung in Abwesenheit». Diese Position kann neu nur noch sechs Mal pro drei Monate verrechnet werden. Zuvor waren es zwölf Mal pro drei Monate. Das reicht laut Stoffel oft nirgends hin.
Man könne diese Leistungen den Patienten ja nicht einfach vorenthalten. Wenn der Arzt seine Aufgaben seriös wahrnehme, könne er sie nicht mehr vollständig abrechnen. «Sehr viel Arbeit der Hausärzte wird nicht mehr abgegolten», sagt Stoffel.
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