VSAO: Ärzte arbeiten im Schnitt fast 56 Wochenstunden

Assistenz- und Oberärzte schreiben einen Teil der Arbeitszeit gar nicht erst auf: wöchentlich durchschnittlich 2,6 Stunden. Dies ergibt eine aktuelle Umfrage.

, 11. April 2017 um 07:33
image
  • spital
  • vsao
  • arbeitswelt
  • patientensicherheit
Über die Hälfte der Assistenz- und Oberärzte missachtet die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 50 Wochenstunden. Das zeigt eine Mitgliederbefragung des Verbandes der Assistenz- und Oberärzte (VSAO). 
Hochgerechnet auf ein 100-Prozent-Pensum kommen die Ärzte im Schnitt auf fast 56 Wochenstunden. Dabei spiele es kaum eine Rolle, ob sie an einem Uni-, einem Kantons- oder einem Regionalspital beschäftigt seien, heisst es.

«Bilden die Realitäten sehr gut ab»

Besonders hoch ist die selbstdeklarierte Arbeitsbelastung von Assistenzärzten und Chirurgen. An der Online-Umfrage beteiligten sich Anfang Jahr rund 3’300 der 13’000 VSAO-Mitglieder.
Die Ergebnisse würden die Realitäten sehr gut abbilden, das zeigten auch zahlreiche Rückmeldungen aus dem Arbeitsalltag der Mitglieder, kommentiert VSAO-Sprecher Marcel Marti die Resultate in der «Neuen Zürcher Zeitung».

Keine Einsätze von mehr als sieben Tagen 

Die Ärztegewerkschaft hat eine analoge Umfrage bereits im Jahr 2013 durchgeführt. Viel hat sich seither nicht geändert. Noch immer schreiben die Ärzte einen Teil der Arbeitszeit gar nicht erst auf. Das sind wöchentlich durchschnittlich 2,6 Stunden.
Eine kleine Verbesserung gab es: Eine Mehrheit der Befragten musste keine Einsätze von mehr als sieben Tagen am Stück leisten. Dennoch klagen der Umfrage zufolge zwei von drei Spitalärzten darüber, dass sie sich «regelmässig körperlich und emotional erschöpft fühlen». 

Was Ärzte mit einem Pizzakurier verbindet

Der VSAO sieht sich durch die Umfrageresultate bestärkt in seinem Kampf für «faire Arbeitsbedingungen», wie es weiter heisst. Der Verband werde hierzu im Sommer konkrete Vorschläge lancieren.
Ferner erhoffe sich der Verband, dass sich die Situation an den Spitälern dank der Offensive von Bund und Kantonen in der Ärzteausbildung entspannen werde. Knappe Finanzen könnten keine Gesetzesverletzung rechtfertigen, wird Marti in der NZZ zitiert. «Der Pizzakurier darf auch nicht zu schnell fahren, nur damit er genügend Pizzas ausliefern kann, um zu überleben».

Folgen für die Patientensicherheit

Die hohe Belastung hat laut der Umfrage offenbar gravierende Konsequenzen. 2013 gaben noch 38 Prozent der befragten Ärzte an, mindestens einmal in den vergangenen zwei Jahren eine Situation erlebt zu haben, in der ein Patient wegen der Übermüdung des behandelnden Arztes gefährdet gewesen sei. Jetzt sind es schon 50 Prozent.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schätzt aufgrund von internationalen Studien, dass jeder zwanzigste Patient in Schweizer Spitälern Opfer eines vermeidbaren Behandlungsfehlers wird, für rund 2’000 bis 3’000 Menschen enden solche Fälle sogar tödlich. Dies schreibt die NZZ. Wie gross der Anteil sei, der sich auf die Übermüdung zurückführen lasse, könne das BAG jedoch nicht beziffern.

Detaillierte Ergebnisse der VSAO-Umfrage

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

H+: Vorstand ist wieder komplett

Monika Jänicke, David Bosshard, Susanne Rodewald und Guido Speck sind neu im Vorstand des Spitalverbandes.

image

CHUV: Gericht schiebt IT-Beschaffung auf die lange Bank

Bevorzugen Schweizer Spitäler bei ihren Ausschreibungen für ein neues Klinikinformations-System den US-Anbieter Epic? Die Frage wird auch in der Romandie akut.

image

Unispitäler häuften 210 Millionen Franken Verlust an

«Wir sind hart vor der finanziellen Kante»: So der Befund von Werner Kübler, dem Direktor des Universitätsspitals Basel.

image

Auch Graubünden will Spitäler mit 100 Millionen stützen

Das Geld würde aber nicht direkt an die Betriebe gehen. Zudem sollen Spitäler leichter in Gesundheitszentren verwandelt werden können.

image

Spitalverbundsinterne Lösung: Nicole Ruhe wird CEO in Uznach und Wil

Die heutige CEO des Spitals Linth wird mit dem Zusammenschluss der St.Galler Spitalverbunde zu «HOCH Health Ostschweiz» eine Doppelfunktion übernehmen.

image

SoH: «Es lief alles korrekt», besagt ein erstes Gutachten

Bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit CEO Martin Häusermann sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Der Kanton Solothurn kündigt aber weitere Untersuchungen an.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.