«Big Data»: Wie das Unispital die Intensivmedizin verbessern will

An der Neurochirurgischen Intensivstation des Universitätsspitals Zürich (USZ) tüfteln Wissenschaftler mit grossen Datenmengen. Das Ziel: «Big Data» zu Frühwarnsystemen und zu therapeutischen Empfehlungen nutzen.

, 2. Dezember 2019 um 08:50
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Die Patientensicherheit auf der Intensivstation könnte entscheidend verbessert werden: Wenn sich Fehlalarme stark reduzieren und kritische Komplikationen wie epileptische Krampfanfälle vorhersagen liessen. Daran arbeiten derzeit Wissenschaftler der Neurochirurgischen Intensivstation des Universitätsspitals Zürich (USZ), die ETH Zürich und IBM Research– im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Big Data».
«Wir möchten mit dem Projekt eine grundlegende Entwicklung in der Notfall- und Intensivmedizin anstossen – und damit die Arbeitsweise im Klinikalltag wesentlich verbessern», sagt Projektleiterin Emanuela Keller und Leitende Ärztin der Neurochirurgischen Klinik am Zürcher Unispital.

Bis zu 100 GB Daten pro Tag

Herkömmliche Monitoring-Systeme lösen Analysen zufolge pro Patient und Tag rund 700 Alarme aus – ein Alarm alle zwei Minuten. Ein beträchtlicher Teil davon seien Fehlalarme. Liessen sich diese markant reduzieren, wäre die Datenmenge viel kleiner, schreiben die Forscher in einer Mitteilung. Dies würde dann das Erkennen von kritischen Situationen erleichtern – und damit die Patientensicherheit erhöhen.
Ein einziger kritischer Patient, der auf einer Intensiv- oder Notfallstation behandelt werde, generiere bis zu 100 GB Daten pro Tag. Die Daten stammen aus der Überwachung der Patienten, aber auch Untersuchungen wie Computer- und Magnetresonanz-Tomographien des Gehirns, Laborwerte und Biosensoren liefern viele Daten. Die Informationsflut, so die Wissenschaftler, könnten die Ärzte oft nicht für die rechtzeitige Erkennung von Risiko-Konstellationen und damit zur raschen Entscheidungsfindung nutzen. 

Soll vor kritischen Ereignissen warnen

Für das Nationalforschungs-Projekt mit der Bezeichnung «ICU-Cockpit» konnten bei mehr als 400 Patienten systematisch anonymisierte Daten aus verschiedenen Quellen gesammelt werden. Zudem wurden Videoaufnahmen eingesetzt. Aus den Daten haben die Forschenden Verfahren für drei Anwendungsfälle entwickelt:
  • Ausfiltern von Fehlalarmen
  • Früherkennung epileptischer Krampfanfälle
  • Früherkennung sekundärer Hirnschädigungen
Die beiden letztgenannten Verfahren sollen laut den Verantwortlichen zur Erkennung von Risiko-Konstellationen führen und vor drohenden kritischen Ereignissen warnen, im Sinne einer Prognostik. Dadurch könnten die Mediziner früher therapeutisch eingreifen, was die Behandlungsqualität verbessern soll.
Basierend auf «Data-Mining», maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz (KI) werden die enormen Mengen an gespeicherten Daten dazu verwendet, komplexe pathophysiologische Zusammenhänge zu modellieren, um Algorithmen für Frühalarmsysteme und Therapieempfehlungen zu entwickeln.

Erkenntnisse visuell darstellen

Heute fällen Mediziner Therapieentscheide oft empirisch, wie die Forscher weiter schreiben. Und zwar basierend auf den Erfahrungen und dem Wissen der Beteiligten. Wünschenswert für die Wissenschaftler wäre es, die Entscheide durch in Echtzeit verfügbare eigene Datenanalysen sowie aktuellstes medizinisches Wissen aus weiteren Quellen zu untermauern: zum Beispiel aus globalen harmonisierten Datenbanken.
Die Verfahren prüfen die Forscher nun als nächstes noch mit weiteren Datensätzen. Anschliessend sollen diese im Rahmen einer weiteren Studie im Klinikalltag des USZ direkt umgesetzt werden. Das Ziel sei es, die Erkenntnisse aus der Datenanalyse visuell darzustellen. 

Videoüberwachung nutzen

Zudem will das Projekteam die Arbeiten mit IBM Research weiterführen. Dabei kommt auch Videoüberwachung für die Erkennung epileptischer Krampfanfälle und weiterer neurologischer Krankheitsbilder zum Einsatz. Die auf Videoaufnahmen basierenden Verfahren sind aus Sicht der Forschenden auch interessant für die Überwachung von Schlaganfallpatienten mit einer Lähmung.
Emanuela Keller ist Fachärztin für Innere Medizin und Intensivmedizin, seit 2004 habilitiert und seit 2014 Professorin «Extraordinaria ad personam» an der Universität Zürich (UZH). Sie ist Leitende Ärztin der Neurochirurgischen Intensivstation am Universitätsspital Zürich (USZ). Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung neuer Messmethoden zur Überwachung der Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns und Neuroprotektiver Therapiekonzepte.
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