Gewaltvorfälle in Aargauer Spitälern nehmen zu

Betroffen sind vorallem grössere Spitäler wie das KSA, KSB oder die PDAG. Das zeigt eine Umfrage des Departements Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau.

, 5. November 2024 um 08:25
image
2023 mussten die Kantonspolizeien über 70-mal wegen schwerer Drohungen an Schweizer Spitälern und Kliniken aktiv werden. Bild: Archivbild/ Screnshot SRF
Das Kantonsspital Aarau spricht von «einer gewissen Verrohung der Gesellschaft», das Kantonsspital Baden von einer Resignation der Mitarbeitenden. Die Rede ist - einmal mehr - von der Zunahme von Gewaltvorfällen an Schweizer Spitälern.
Auf Initiative von SVP-Grossrätin Nicole Heggli-Boder hat das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) des Kantons Aargau eine Umfrage bei zwanzig Aargauer Spitälern und anderen Gesundheitseinrichtungen durchgeführt. Vor allem die grossen Kliniken wie das Kantonsspital Aarau, das Kantonsspital Baden oder die Psychiatrischen Dienste Aargau verzeichnen eine Zunahme von gewalttätigen Vorfällen.
Wie die aktuelle Auswertung zeigt, habe die Heftigkeit und teilweise die Brutalität der Reaktionen von Patienten am KSA in den letzten Jahren stetig zugenommen, schreibt die «Aargauer Zeitung».
«Eine gewisse Verrohung der Gesellschaft» führe zu schwierigeren und anspruchsvolleren Interventionen des Sicherheitsdiensts, heisst es vom KSA weiter. Am Kantonsspital Baden seien vor allem Mitarbeitende auf dem Notfall und den Intensivstationen vermehrter Gewalt ausgesetzt, es verbreite sich eine zunehmende Resignation und Abstumpfung unter den Mitarbeitenden: «Das erklärt aus Sicht des KSB auch den Rückgang der Meldungen seit 2021.»
Die Aargauer Regierung möchte die Sicherheitsdienste der Notfallstationen nun mit mehr Geld unterstützen, 1,65 Millionen Franken sind dafür vorgesehen.

90 Prozent von Gewalt betroffen

Für die meisten Gesundheitsfachpersonen sind gewalttätige Patienten inzwischen traurige Realität, gemäss einer Auswertung des Bundesamtes für Statistik werden 90 Prozent im Laufe ihres Berufslebens damit konfrontiert - manche von ihnen bereits ab Tag Eins ihrer Ausbildung.
So erzählte mir vor kurzem eine Fachfrau Gesundheit im 1. Lehrjahr, dass ihre Kollegin so schwer von einem Infusionsständer getroffen wurde, den ein Angehöriger nach ihr schmiss, dass sie dabei am Arm verletzt wurde.
Dass Patienten oder deren Angehörige das Pflegepersonal beschimpfen, Drohungen aussprechen oder gar physisch gewaltätig werden, sei «Normalität», erklärte mir die zukünftige Pflegefachfrau - in einer Selbstverständlichkeit, die zu denken gibt.
Tatsache ist, dass Gesundheitsfachpersonen, nach Polizei und Sicherheitsleuten, unter allen Berufen am zweithäufigsten von Aggressions- und Gewaltereignissen am Arbeitsplatz betroffen sind. 2023 mussten die Kantonspolizeien über 70-mal wegen schwerer Drohungen an Schweizer Spitälern und Kliniken aktiv werden, wie eine Auswertung des Bundesamts für Statistik für den «SonntagsBlick» im vergangenen Frühling zeigte. Dazu wurden gemäss dem Bericht rund 490 Gewaltstraftaten registriert.
Und auch eine Umfrage von Medinside im vergangenen Jahr bestätigte: Verbale und körperliche Gewalt in Spitälern nimmt stetig zu, Zahlen werden jedoch kaum erfasst. Das stellt auch Pflegefachmann und Aggressions-Trainer Stefan Reinhardt fest. Im Interview mit Medinside sagte er: «Die Erfassung bedeutet für die Spitäler ein zusätzlicher Zeitaufwand, der in der angespannten Lage mit Personalmangel schwierig zu bewältigen ist».
Dabei sei es besonders wichtig, dass diese Problematik angegangen werde, schliesslich halten gewaltbereite Patienten das Personal von ihren Kernaufgaben ab, nehmen viel Zeit und Ressourcen in Anspruch und veranlassen so manchen dazu den Beruf zu verlassen.
Reinhardt erinnert sich an einen besonders dramatischen Fall: «Ich kannte einen Assistenzarzt auf dem Notfall, der nahm einen Baseballschläger mit zur Nachtschicht. Das war sein Sicherheitsmanagement. Glücklicherweise kam der Schläger nie zum Einsatz». Für das Verhalten gewalttätiger Patienten und Angehöriger gäbe es heute kaum Konsequenzen – das müsse sich dringend ändern.

  • «Gewalt findet oft unter dem Radar statt» Eine Umfrage von Medinside zeigt: Verbale und körperliche Gewalt in Spitälern nimmt weiter zu. Zahlen werden jedoch kaum erfasst.
  • «Das Spital wird als rechtsfreier Raum wahrgenommen» Gewalttätige Patienten und Angehörige belasten das Gesundheitspersonal – doch Konsequenzen haben sie kaum zu fürchten. Das muss ändern, sagt Pflegefachmann und Aggressions-Trainer Stefan Reinhardt.
  • «Die Anspruchshaltung ist spürbar gestiegen» Die Spitäler verspüren mehr Gewaltbereitschaft bei Patienten. Adrian Kaegi, ehemaliger Staatsanwalt für Gewaltkriminalität und Ärztefälle, über die Hintergründe.





  • KSA
  • KSB
  • PDAG
  • Gewalt
  • spital
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Sonic Suisse – Netzwerk regionaler Laboratorien

Vier Hauptlabore haben sich zusammengeschlossen, um langfristig eine exzellente Labordiagnostik in der ganzen Schweiz sicherzustellen.

image

Hospital@Heim: Spitalgruppe schafft virtuelle Stationen für Pflegeheime

Statt auf die Station zurück in die Pflegeeinrichtung: In Deutschland will die Asklepios-Gruppe einen Teil der Akutversorgung per Telemedizin in die Heime verlagern.

image

GZO Spital Wetzikon möchte rund 50 Millionen Franken von den Gemeinden

Für die Trägergemeinden wiederum ist klar: Es gibt kein Geld, um den Schuldenschnitt der Gläubiger zu dämpfen. Und ein klares Zukunftskonzept ist Bedingung.

image

Klinik Arlesheim: Weitere Kantonsgelder für «Hospital at Home»

Und auch an zwei Hirslanden Kliniken, am Spital Zollikerberg und in Einsiedeln nimmt das Modell Fahrt auf.

image

LUKS stärkt Brustzentrum in Sursee und Luzern

Kathrin Schwedler übernimmt die Leitung des Brustzentrums in Sursee, Maja von Rotz verstärkt das Brustzentrum in Luzern.

image

Vermeiden Sie unnötige Kosten. Mit einer Simulation im Massstab 1:1.

Das Swiss Center for Design and Health bietet Ihnen eine perfekte Experimentier-Plattform.

Vom gleichen Autor

image

Palliative Care: Zeigen, was ist

Die Stiftung Palliaviva macht in einem Foto-Projekt die Realität von Palliative Care sichtbar – damit die Öffentlichkeit besser für die Betreuungsarbeit sensibilisiert wird.

image

Die Idee: Vollzeit-Ärzte erhalten 1000 Euro Prämie – pro Monat

In Niederösterreich will man Spitalärzte motivieren, ihr Pensum zu erhöhen. Denn bereits ein Drittel ist teilzeitbeschäftigt.

image

Abschaffung des NC? «Finden wir nicht gut»

Dass der Numerus Clausus abgeschafft wird, stösst bei Medizinstudenten auf wenig Begeisterung. Sie fürchten Qualitätseinbussen.