In der Komödie «Täglich grüsst das Murmeltier» steckt ein Mann in einer Zeitschleife fest und ein Tag wiederholt sich immer wieder. Im Gesundheitswesen läuft das ähnlich, nur im Jahresrhythmus.
Es gibt zwei sichere Termine im Frühjahr: Ostern und die düstere Prognose von Santésuisse zu den Gesundheitskosten und der kommenden Prämienerhöhung im Herbst. Und jedes Mal unterlässt es der Krankenkassenverband, Anstieg der Gesundheitskosten und Prämienanstieg zu differenzieren, denn ein Teil des Prämienanstiegs hat nichts mit den Gesundheitskosten zu tun. Ausserdem unterlässt es Santésuisse, konkrete Reformvorschläge zu machen. Einzige Ausnahme: Generika.
«Die von Bundesrat Alain Berset am Freitag kommunizierten Massnahmen bei den Medikamenten werden nicht einmal ein Prämienprozent einsparen.»
Wenn nun behauptet wird, die Senkung der Generikapreise sei ein Durchbruch beim Kostenproblem, dann ist das Augenwischerei. Deshalb werden auch die vom Bundesrat Alain Berset letzten Freitag kommunizierten Massnahmen bei den Medikamenten – sofern sie tatsächlich ganz umgesetzt werden können – nicht einmal ein Prämienprozent einsparen.
Fakt ist übrigens, dass die Kosten bei Medikamenten unter 100 Franken pro Packung – dazu gehören fast alle Generika – seit Jahren konstant sind und lediglich um plus/minus 2 Prozent variieren. Dies, obwohl die Mengen an abgegebenen Medikamenten in diesem Segment deutlich gestiegen sind.
Dann kommt die operative Betriebsamkeit bei Regierung und Parlament mit kurzfristiger Ausrichtung bis zur nächsten Prämienkommunikation, das heisst: «Pflästerlipolitik»und Schraubereien am System. Schlussendlich kommt die Prämienkommunikation mit gegenseitigen Schuldzuweisungen.
«Statt mit lauter kleinen Reformen am bestehenden System weiter herumzuflicken, braucht es einen Marschhalt und eine Grundsatzdiskussion.»
Kürzlich hat die Zürcher Gesundheitsdirektorin Nathalie Rickli in diesem Zusammenhang eine zutreffende Forderung formuliert: Statt mit lauter kleinen Reformen am bestehenden System weiter herumzuflicken, braucht es einen Marschhalt und eine Grundsatzdiskussion.
Stimmt, nur so können echte Lösungen mit Wirkung im System erarbeitet werden, denn: Man kann ein Kreuzfahrtschiff nicht auf einem Bierdeckel wenden.
«Das BAG muss als gut geführte Fachbehörde gestärkt werden, Reformen inhaltlich und nicht politisch angehen.»
Ein sehr beliebtes Objekt des Bashings ist das BAG. Fakt ist aber: Dort arbeiten viele hochkompetente Fachpersonen, deren Potential in den letzten Jahren leider kaum genutzt wurde, weil das Amt politisch instrumentalisiert worden ist.
Was ist hier zu tun? Das BAG muss als gut geführte Fachbehörde gestärkt werden, Reformen inhaltlich und nicht politisch angehen, partnerschaftlich mit den Akteuren zusammenarbeiten, den Dienstleistungsaspekt in den Vordergrund stellen und bei allen Interventionen ins System neben der Kostenentwicklung den Nutzen für Patientinnen und Patienten gleichwertig berücksichtigen, im Sinne der Kosten / Nutzen - Optik.
Es wäre somit wichtig, dass die neue Vorsteherin / der neue Vorsteher des EDI das BAG in diesem Sinne neu positioniert und wo nötig neu strukturiert, klare Vorgaben zur Arbeitsweise macht und von einer weiteren «Verpolitisierung» des Amtes absieht.
Sinnbildlich für das «zu Ende denken» steht ein äusserst wichtiges Instrument mit einem etwas schwerfälligen Namen: die Regulierungsfolgenabschätzung. Dabei wird ermittelt, welche Effekte eine Gesetzes- oder Verordnungsänderung hat und ob sie etwas bringt oder nicht.
«Die Handlungsfelder sind klar: Es braucht die richtigen Anreize im System, eine deutliche Verbesserung der Effizienz und die Bürokratie muss massiv reduziert werden.»
Leider wird diese Regulierungsfolgenabschätzung – obwohl eigentlich zwingend vorgegeben – nur selten durchgeführt, was absolut unverständlich ist. Denn damit wären uns einige aussichtslose Reformversuche erspart geblieben.
Die Handlungsfelder sind klar: Es braucht die richtigen Anreize im System, eine deutliche Verbesserung der Effizienz und die Bürokratie muss massiv reduziert werden. Es gibt Studien, die hier ein Sparpotential in Milliardenhöhe sehen.
Konkrete inhaltliche Vorschläge liegen ebenfalls auf dem Tisch:
- Stärkung alternativer Versicherungsmodelle,
- Überprüfung Leistungskatalog Grundversicherung,
- Einführung der einheitlichen Finanzierung (Efas),
- Erhöhung der Transparenz,
- bessere Nutzung der Gesundheitsdaten,
- Qualitätswettbewerb fördern (Pay for Quality, PROMS und PREMS),
- klare Spielregeln für die Anwendung der WZW-Kriterien in Artikel 32 KVG
- und der Preis-/Tariffestlegungsgrundsätze von Artikel 43 KVG, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Mit dem Abgang von Bundesrat Alain Berset bietet sich jetzt die Chance für Veränderungen und eine erfolgreiche Reformpolitik. Hoffen wir, dass seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger die Weitsicht und den Mut hat, dem Druck einzelner Akteure zu widerstehen, die notwendigen Veränderungen in der Bundesverwaltung umzusetzen und sich Zeit für die richtigen Reformen zu nehmen. Dazu braucht es einen echten, offenen und lösungsorientierten Dialog auf höchster Ebene unter Einbindung aller Akteure.
Andreas Faller ist Berater und Geschäftsführer von Verbänden im Gesundheitswesen. Der Rechtsanwalt war früher unter anderem Vizedirektor im Bundesamt für Gesundheit.