40 Prozent weniger Intensivbetten als noch im Frühling

Spitäler bauen trotz Notstand Intensivbetten und Pflegepersonal ab. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse von Urs P. Gasche.

, 22. Dezember 2020 um 08:39
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Mitte Dezember standen kaum mehr Intensivbetten bereit wie im Sommer. | Screenshot SWR
Viele Spitäler, Ärzte und das Pflegepersonal kommen derzeit an ihre Kapazitätsgrenzen. Über die Anzahl der freien Spitalbetten oder Intensivplätze gibt es viele, zum Teil aber auch widersprüchliche Informationen. Urs P. Gasche vom Portal «Infosperber» bringt hier etwas Licht ins Dunkel. 
Seine Auswertung zeigt: Am 17. Dezember 2020 stellten die Spitäler 1076 Intensivbetten zur Verfügung. Einen Monat zuvor, am 17. November, waren es noch 1142. Das bedeutet, dass 66 Betten weniger zur Verfügung stehen. Dies, obwohl sich die zweite Welle der Corona-Epidemie zuspitzte, wie Publizist Gasche schreibt. 
Im Vergleich zum Frühling sind die Spitäler zudem aktuell nicht in der Lage, gleich viele Intensivbetten wie im April bereitzustellen: Heute sind es 40 Prozent weniger, wie die untenstehende Grafik von «Infosperber» zeigt.
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Screenshot «Infosperber»


Gleich viele Intensivbetten wie im Sommer

Am 17. Dezember standen demnach kaum mehr Intensivbetten bereit wie während der Sommermonate, als praktisch keine Corona-Patienten in Intensivstationen lagen, schreibt Urs P. Gasche weiter.
Eine Anfrage von Medinside an die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI), mit der Bitte um Einordnung dieser Zahlen, kann die SGI nicht rechtzeitig beantworten. Denn die personellen Ressourcen seien aufgrund der Pandemie weiterhin sehr stark gefordert, schreibt die Gesellschaft. *

OPs verschoben statt Personal aufzustocken

Insgesamt blieb der Anteil der freien Betten vom Sommer bis heute – trotz stark zunehmender Corona-Patienten – konstant zwischen 20 und 25 Prozent, hält der ehemalige Chefredaktor und TV-Moderater Gasche weiter fest.
Der wahrscheinlichste Grund gemäss «Infosperber»: Statt die Intensivbetten wie im Frühjahr wieder aufzustocken, haben Spitäler eine unbekannte Zahl nicht dringlicher Operationen verschoben.

Kein Ersatz für krankes Pflegepersonal

Zwar würden Spitäler zurecht alarmieren, dass das tertiär ausgebildete Pflegepersonal am äussersten Anschlag arbeite. Doch manche Spitäler haben dieses Jahr Gasche zufolge wenig unternommen, um dem Pflegepersonal bessere Arbeitsbedingungen zu gewähren – und es aufzustocken.
Die Berner Inselgruppe beispielsweise baue in einigen Bereichen Pflegekapazitäten im Verhältnis zur Zahl der Akutbetten sogar ab. Und will dies auch im nächsten Jahr tun, wie der Publizist weiter schreibt. 
Trotz der gegenwärtig angespannten Situation suche die Spitalgruppe – aus Kostengründen – offenbar nicht einmal Ersatz für voll ausgebildete Pflegekräfte, die sich im Schwangerschaftsurlaub befänden oder für längere Zeit krankheitsabwesend seien.


* Die SGI verweist gleichzeitig auf den Koordinierten Sanitätsdienst (KSD). Dieser teilt mit, dass im Frühling «in Unkenntnis der möglichen Entwicklung» sehr viele improvisierte IPS-Betten vorbereitet wurden, welche aber nie betrieben werden mussten. Nach dem Rückgang der ersten Welle seien diese bereitgestellten Reserven graduell wieder abgebaut oder zum Teil im Hinblick auf die zweite Welle beibehalten worden. 
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