Der Staat bezahlt pro Pille etwa 10 Franken, reicht sie den staatlichen Apotheken weiter, und diese geben das Medikament gratis ab.
Wer eine Flasche mit dem Arzneimittel will, muss eine alte zurückgeben.
Bereits in der Apotheke muss der Patient den neuen Behälter aufbrechen und eine erste Pille zu sich nehmen: Denn dies macht es fast unmöglich, das Paket andernorts wieder auf den Markt zu bringen.
Dies sind einige der Massnahmen, mit denen das Hepatitis-C-Medikament Sovaldi in Ägypten unter die Patienten gebracht wird. Sie sind nachzulesen in einer grossen Reportage, mit der die «New York Times» jetzt das Hepatitis-C-Programm im nordafrikanischen Grossstaat verfolgt hat. Die Erklärung für den Beitrag: Was dort ausprobiert wird, könnte globale Folgen haben.
Denn: «Falls es Erfolg hat, kann das Arrangement in Ägypten als Blaupause nicht nur zur Bekämpfung von Hepatitis weltweit dienen, sondern überhaupt zur Versorgung armer Länder, die es sich sonst nie leisten könnten, mit Spitzenmedizin.»
Unentbehrlich und teuer
Sovaldi ist bekanntlich ein Blockbuster des kalifornischen Pharmakonzerns Gilead, mit einem Jahresumsatz von etwa 10 Milliarden Dollar. Eine Hepatitis-C-Therapie mit dem Medikament kostet in westlichen Ländern mehrere zehntausend Franken pro Patient; in der Schweiz konnten sich
BAG und Gilead jüngst auf den Preis von 48'300 Franken pro Standardtherapie einigen.
Und an den Hepatitis-C-Pillen der neusten Generation spiegelt sich bekanntlich ein fundamentaler Konflikt: Sovaldi wird von der WHO als unentbehrliches Arzneimittel eingestuft, aber selbst in den reichen Staaten des Nordens stossen die Preise an Grenzen des Verständnisses. So war in der Schweiz das BAG lange nur bereit, Sovaldi erst bei fortgeschrittener Lebererkrankung finanzieren zu lassen.
Und in den ärmeren Staaten lägen solche Preise ohnehin ausserhalb des Möglichen. In Ägypten läuft nun das Sovaldi-Programm von Gilead seit rund einem Jahr. Hier wird ausgetestet, wie sich Medikamente zum Bruchteil des Preises streuen lassen, der in Europa oder den USA verlangt wird. Das Fernziel: die vollständige Ausrottung des Hepatitis-C-Virus am Nil.
Denn Ägypten ist ein Hot Spot der Krankheit: Wegen missratener Vorbeugeprogramme gegen Bilharziose in den Siebziger- und Achtzigerjahren sind heute über 10 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infiziert, und jedes Jahr stecken sich schätzungsweise 150'000 Menschen neu an. Eine frühzeitige Kur böte also unzweifelhaft weitreichenden Segen.
Konkurrenz durch Lizenz-Generika
Der Hepatitis-C-Plan sieht jetzt vor, ab 2016 jedes Jahr 300'000 Patienten zu behandeln und die Infektionsrate bis 2025 unter die 2-Prozent-Marke zu bringen. In diesem Jahr waren noch 125'000 Patienten geheilt worden.
Interessanterweise wird die Sache jetzt noch günstiger: Gilead hat insgesamt 11 Pharmaherstellern aus Indien die Lizenz erteilt, ein Sovaldi-Generikum unter Lizenz herzustellen und den Preis selber zu bestimmen; die amerikanische Firma erhält einfach 7 Prozent des Verkaufspreises als Lizenzgebühr. Die ägyptische Regierung wird das Medikament also künftig nicht von den Amerikanern direkt, sondern aus Indien erhalten – zu einem Preis von etwa 4 Dollar pro Pille.
Und interessanterweise hat AbbVie, Gileads grösster Konkurrent im Hepatitis-C-Bereich, jetzt ebenfalls begonnen, im Testmarkt Ägypten seine Viekirax-Therapie zum Preis von etwa 13 Franken pro Patient anzubieten.
Ähnliche Programme laufen in zahlreichen Schwellenländern an – die indischen Lizenzhersteller liefern Sovaldi beziehungsweise das Schwester-Kombi-Präparat Harvoni
in 101 Entwicklungs- und Schwellenländer. Und Gilead gibt hier lediglich einen empfohlenen Richtpreis ab (der bei 300 respektive 400 Dollar pro Flasche liegt).
Einmischung ins Verhältnis von Arzt und Patient?
Im Fall der Kaukasusrepublik (die nach Ägypten das Land mit der zweithöchsten Durchdringungsrate ist) gibt der US-Konzern das Medikament sogar gratis ab. Hier geht es darum, in einem grossen Test zu überprüfen, ob die vollständige Elimination dieser Krankheit innert etwa 5 Jahren bewerkstelligt werden kann.
Die «New York Times» zitiert allerdings Aktivisten, die das Programm dennoch kritisch sehen – etwa eine Ärztin von «Medecins sans Frontières», welche die Kontroll-Anforderung als Einmischung einer dritten Partei ins Verhältnis von Arzt und Patienten sieht.
Novartis: Joe Jimenez will einen Systemwechsel
Der Konzernchef von Novartis hat erneut für neue Preismodelle plädiert. In einem Interview mit der
«NZZ am Sonntag» (Print) meinte Joe Jimenez, die Pharmahersteller müssten dereinst den Nutzen eines neuen Medikamentes mit dem Gesundheitssystem teilen. Es gehe hin zum «erfolgsorientierten Preisgestaltungsmodell». Dabei wird nicht mehr die Behandlung bezahlt, sondern der Erfolg der Behandlung wird honoriert.
«Kein Erfolg – keine Bezahlung», so der CEO des (noch) weltgrössten Pharmaherstellers. Bekanntlich diskutiert Novartis beim neuen Herzinsuffizienz-Mittel Entresto mit Versicherungen und Krankenhaus-Verbänden über die Zahlen einer Alterskohorte: Wie viele werden im Durchschnitt wegen einer Herzinsuffizienz ins Spital müssen?
Novartis erwartet, dass durch den Einsatz von Entresto die Zahl der Spitaleinweisungen um einen bestimmten Prozentsatz sinken werden – und folglich auch die Behandlungskoten. Diese Vorteile werden dann zwischen dem Versicherer, dem Spital und Novartis geteilt.